10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
beobachtet, wie die Galeeren Proviant aufnahmen. Die ganze Stadt war betrunken gewesen. Seeleute und Soldaten und Kesselflicker waren dabei gesehen worden, wie sie auf den Straßen mit Edlen und fetten Kaufleuten tanzten, und in jedem Gasthaus und jeder Weinschenke wurde auf die neuen Triarchen angestoßen. Alle redeten nur von dem Gold und den Edelsteinen und den Sklaven, die nach Volantis fließen würden, sobald die Drachenkönigin tot war. Ein Tag mit solchen Berichten war schon mehr gewesen, als Victarion Greyjoy ertragen konnte; er zahlte den goldenen Preis für Vorräte und Wasser, obwohl er sich dabei schämte, und brachte seine Schiffe wieder hinaus aufs Meer.
Die Stürme mussten die Volantener ebenso zerstreut und aufgehalten haben wie seine eigenen Schiffe. Wenn das Schicksal ihnen gewogen war, waren viele ihrer Kriegsschiffe gesunken oder auf Grund gelaufen. Aber nicht alle. Kein Gott war so gnädig, und die grünen Galeeren, die das Unwetter überstanden hatten, könnten inzwischen bereits um Valyria herumgesegelt sein. Sie eilen nach Norden in Richtung Meereen und Yunkai, große Kriegsdromonen, auf denen es vor Sklavensoldaten nur so wimmelt. Wenn der Sturmgott sie verschont hat, könnten sie längst den Golf der Trauer erreicht haben. Dreihundert Schiffe, vielleicht sogar fünfhundert. Ihre Verbündeten lagen bereits vor Meereen: Yunkische und Astapori, Männer aus Neu-Ghis und Quarth und Tolos, und mochte der Sturmgott wissen, von wo noch. Ja, sogar Meereens eigene Kriegsschiffe, die vor dem Fall aus der Stadt geflohen waren. Dagegen hatte Victarion nur vierundfünfzig aufzubieten. Dreiundfünfzig, ohne die Hai.
Krähenauge war um die halbe Welt gesegelt und hatte von Quarth bis nach Tall Trees geraubt und geplündert und selbst unheilige Häfen angelaufen, wohin sich nur die Verrückten wagten. Euron hatte das Rauchende Meer durchquert und überlebt, um davon zu erzählen. Und das mit nur einem Schiff. Wenn er die Götter verspotten kann, wird mir das erst recht gelingen.
» Zu Befehl, Kapitän«, sagte Wulf Einohr. Er war nicht halb so ein Mann wie Nute der Barbier, aber Krähenauge hatte ihm Nute gestohlen. Indem er ihn zum Lord von Oakenshield erhoben hatte, hatte sein Bruder ihm seinen besten Mann abspenstig gemacht. »Fahren wir immer noch nach Meereen?«
»Wohin sonst? Die Drachenkönigin erwartet mich in Meereen.« Die schönste Frau der Welt, wenn man meinem Bruder glauben kann. Ihr Haar ist silbern und golden, und ihre Augen sind wie Ame-
thyste.
War es zu viel verlangt, wenigstens einmal hoffen zu dürfen, dass Euron die Wahrheit gesagt hatte? Vielleicht. Genauso gut konnte das Mädchen eine Schlampe mit Pockennarben und Hängebrüsten sein, die ihr auf die Knie klatschten, und ihre »Drachen« waren vielleicht nicht mehr als tätowierte Eidechsen aus den Sümpfen von Sothoryos. Wenn sie jedoch all das ist, was Euron behauptet … Auch von den Piraten auf den Stepstones und den fetten Kaufleuten in Alt-Volantis hatten sie gehört, was für eine Schönheit Daenerys Targaryen sein sollte. Die Geschichte konnte also stimmen. Und Euron hatte sie nicht Victarion zum Geschenk gemacht, sondern Krähenauge wollte sie für sich selbst. Er schickt mich wie einen Diener, der sie ihm bringen soll. Wie er wohl heulen wird, wenn ich sie für mich beanspruche. Sollten die Männer ruhig murren. Sie waren zu weit gesegelt, und Victarion hatte dabei zu viel verloren, um jetzt einfach ohne seine Beute nach Westen umzukehren.
Der Eiserne Kapitän schloss die gute Hand zur Faust. »Sorge dafür, dass meine Befehle ausgeführt werden. Dann finde den Maester, wo immer er sich verkrochen hat, und schicke ihn in meine Kajüte.«
»Zu Befehl.« Wulf humpelte davon.
Victarion Greyjoy wandte sich wieder dem Bug zu und ließ den Blick über seine Flotte schweifen. Langschiffe füllten das Meer, die Segel waren aufgerollt, die Ruder verstaut, und sie lagen vor Anker oder waren auf den bleichen Sandstrand geschoben. Die Zederninsel. Wo waren diese Zedern? Vor vierhundert Jahren ertrunken, schien es. Victarion war ein Dutzend Mal an Land gegangen, um frisches Fleisch zu jagen, aber er hatte noch keine einzige Zeder gesehen.
Der mädchenhafte Maester, den Euron ihm in Westeros aufgedrängt hatte, behauptete, dieser Ort sei einst die »Insel der Hundert Schlachten« genannt worden, aber die Menschen, die diese Schlachten ausgetragen hatten, waren schon vor Jahrhunderten zu Staub zerfallen. Affeninsel, so sollte man
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