10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
viel und noch viel mehr zu lernen, aber vielleicht bist du doch kein hoffnungsloser Fall.«
In dieser Nacht gaben sie ihr das Gesicht von Arya Stark zurück.
Sie gaben ihr auch eine Robe, die weiche dicke Robe eines Akolythen, schwarz auf der einen und weiß auf der anderen Seite. »Trage sie, wenn du hier bist«, sagte der Priester, »aber in der nächsten Zeit wirst du sie nicht häufig brauchen. Morgen gehst du zu Izembaro und trittst deine erste Lehre an. Such dir im Keller Kleider aus, die dir gefallen. Die Stadtwache sucht nach einem gewissen hässlichen Mädchen, das im Violetten Hafen gesehen wurde, also brauchst du wohl auch ein neues Gesicht.« Er nahm ihr Kinn in die Hand, drehte ihr den Kopf nach rechts und nach links und nickte. »Ein hübsches Gesicht, diesmal, denke ich. So hübsch wie dein eigenes. Wer bist du, Kind?«
»Niemand«, antwortete sie.
CERSEI
In der letzten Nacht ihrer Gefangenschaft konnte die Königin nicht schlafen. Jedes Mal, wenn sie die Augen schloss, plagten sie Bilder und Vorahnungen über den morgigen Tag. Ich werde Wachen haben, redete sie sich ein. Sie werden den Pöbel von mir fernhalten. Niemandem wird erlaubt, mich anzufassen. So viel, immerhin, hatte ihr der Hohe Spatz versprochen.
Trotzdem hatte sie Angst. An dem Tag, an dem Myrcella nach Dorne in See gestochen war, dem Tag der Brotaufstände, hatten überall entlang des Wegs der Prozession Goldröcke gestanden, und doch hatte der Pöbel die Reihen durchbrochen, den alten fetten Hohen Septon in Stücke gerissen und Lollys Stokeworth ein halbes Hundert Mal vergewaltigt. Und wenn diese blasse, weiche dumme Kreatur die Tiere schon in voller Kleidung zu einem solchen Verhalten hinreißen konnte, wie viel mehr Wollust würde dann eine Königin entfachen?
Cersei schritt in der Zelle hin und her, rastlos wie die Löwen in den Käfigen, die in den Tiefen von Casterly Rock gelebt hatten, als sie noch ein Mädchen war, ein Erbe aus den Tagen ihres Großvaters. Sie und Jaime hatten sich gegenseitig angestachelt, in die Käfige zu klettern, einmal brachte sie genug Mut auf, eine Hand zwischen den Gitterstäben hindurchzustecken und eines der gelbbraunen Tiere zu berühren. Sie war schon immer kühner gewesen als ihr Bruder. Der Löwe wandte ihr den Kopf zu und starrte sie aus goldenen Augen an. Dann leckte er an ihren Fingern. Seine Zunge war so rau wie eine Feile, dennoch zog sie die Hand nicht zurück. Es war Jaime gewesen, der sie an den Schultern gepackt und sie vom Käfig fortgezerrt hatte.
»Du bist dran«, hatte sie zu ihm gesagt. »Zieh an seiner Mähne, wenn du dich traust.« Er hat sich nie getraut. Ich hätte das Schwert bekommen sollen, nicht er.
Barfuß und zitternd schritt sie auf und ab, nur eine dünne Decke um die Schultern gelegt. Sie wollte, dass der Tag endlich kam. Bis zum Abend wäre alles vorüber. Ein kleiner Spaziergang, und dann bin ich zu Hause, wieder bei Tommen, zurück in meinen Gemächern in Maegors Feste. Ihr Onkel hatte gesagt, das sei die einzige Möglichkeit, sich zu retten. Doch stimmte das wirklich? Ihrem Onkel konnte sie nicht vertrauen, genauso wenig wie diesem Hohen Septon. Ich könnte mich noch weigern. Ich könnte auf meiner Unschuld beharren und alles auf einen Prozess setzen.
Doch wagte sie es nicht, den Glauben über sie Gericht sitzen zu lassen, so wie es Margaery Tyrell beabsichtigte. Für die kleine Rose mochte das vielleicht erfolgversprechend sein, aber Cersei hatte wenig Freunde unter den Septas und Spatzen im Umfeld dieses neuen Hohen Septons. Ihre einzige Hoffnung war ein gerichtlicher Zweikampf, und dafür brauchte sie einen Recken.
Wenn Jaime nur nicht seine Hand verloren hätte …
Solche Gedanken führten zu nichts. Jaime hatte keine Schwerthand mehr, und darüber hinaus war er mit dieser Brienne irgendwo in den Flusslanden verschwunden. Die Königin musste einen anderen Verteidiger finden, oder das heutige Martyrium wäre die geringste ihrer Sorgen. Ihre Feinde beschuldigten sie des Hochverrats. Sie musste zu Tommen, gleichgültig, was es sie kostete. Er liebt mich. Er wird seiner eigenen Mutter nichts abschlagen. Joff war stur und unberechenbar, doch Tommen ist ein braver kleiner Junge, ein braver kleiner König. Er wird tun, was man ihm sagt. Wenn sie hierblieb, war sie verloren, und der einzige Weg zurück in den Roten Bergfried war dieser Gang. Der Hohe Septon zeigte sich unerbittlich, und Ser Kevan weigerte sich, auch nur den kleinen Finger gegen ihn zu
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