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10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
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Septe, nur diesmal starrte der Pöbel sie an und nicht Eddard Stark.
    Der große Marmorplatz unter ihr war so dicht bevölkert wie an dem Tag, an dem Stark gestorben war. Überall, wohin die Königin blickte, sah sie Augen. Der Pöbel schien zu gleichen Teilen aus Männern und Frauen zu bestehen. Manche trugen Kinder auf den Schultern. Bettler und Diebe, Schankwirte und Händler, Gerber und Stallburschen und Mimen, die billigere Sorte Huren, all der Abschaum war hergekommen, um sich die Demütigung einer Königin anzuschauen. Und dazwischen mischten sich die Armen Gefährten, schmutzige, unrasierte Geschöpfe, die mit Speeren und Äxten bewaffnet waren und verbeulte Rüstungen, verrostete Kettenhemden und rissiges Leder trugen, und darüber große Waffenröcke, die weiß gebleicht und mit dem siebenzackigen Stern des Glaubens versehen waren. Das zerlumpte Heer des Hohen Spatzen.
    Ein Teil von ihr sehnte sich immer noch danach, dass Jaime erschien und sie vor dieser Demütigung rettete, doch ihr Zwillingsbruder war nirgendwo zu sehen. Auch ihr Onkel war nicht zugegen. Das überraschte sie wenig. Ser Kevan hatte seine Ansichten bei seinem letzten Besuch klargemacht: Ihre Schande durfte nicht auf Casterly Rock Ehre abfärben. Heute würden keine Löwen an ihrer Seite gehen. Diese Tortur war für sie ganz allein bestimmt.
    Septa Unella stand zu ihrer Rechten, Septa Moelle zu ihrer Linken, Septa Scolera hinter ihr. Falls die Königin sich wehren oder weigern würde, wären die Hexen zur Stelle, um sie wieder in die Septe zu zerren, und diesmal würden sie dafür sorgen, dass sie ihre Zelle nie wieder verließ.
    Cersei hob den Kopf. Jenseits des Platzes, jenseits dieses Meeres aus gaffenden Augen, klaffenden Mäulern und schmutzigen Gesichtern, auf der anderen Seite der Stadt erhob sich Aegons Hoher Hügel in der Ferne, und die Türme und Zinnen des Roten Bergfrieds leuchteten rosa im Licht der aufgehenden Sonne. Es ist gar nicht so weit. Sobald sie die Tore des Bergfrieds erreicht hatte, lag das Schlimmste hinter ihr. Sie würde ihren Sohn zurückhaben. Sie würde ihren Recken bekommen. Ihr Onkel hatte es versprochen. Tommen wartet auf mich. Mein kleiner König. Ich schaffe es. Ich muss.
    Septa Unella trat vor. »Eine Sünderin stellt sich euch«, verkündete sie. »Es ist Cersei aus dem Hause Lannister, die Königinwitwe und Mutter Seiner Gnaden König Tommen, Witwe von Seiner Gnaden König Robert, und sie hat sich der Lüge und der schweren Unzucht schuldig gemacht.«
    Septa Moelle stellte sich rechts neben die Königin. »Diese Sünderin hat ihre Sünden gebeichtet und Vergebung und Reinigung erfleht. Seine Hohe Heiligkeit hat ihr befohlen, ihre Reue zu beweisen, indem sie all ihren Stolz ablegt und sich vor dem guten Volk der Stadt so zeigt, wie die Götter sie erschaffen haben.«
    Septa Scolera beendete die Ansprache. »Diese Sünderin tritt nun mit Demut im Herzen vor euch. All ihre Geheimnisse und Falschheiten wurden ihr vom Leibe geschoren; nackt tritt sie vor die Augen von Göttern und Menschen, um ihren Bußgang zu tun.«
    Cersei war erst ein Jahr alt gewesen, als ihr Großvater gestorben war. Als erste Amtshandlung nach dem Antritt seines Erbes hatte ihr Vater die habgierige Mätresse seines Vaters, die von niederer Geburt gewesen war, aus Casterly Rock geworfen. Der Samt und die Seide, mit denen Lord Tytos sie überhäuft hatte, und die Edelsteine, die sie sich selbst angeeignet hatte, waren ihr vom Leib gerissen worden, und sie musste nackt durch die Straßen von Lannisport gehen, damit der Westen ihr wahres Wesen erkennen konnte.
    Obwohl sie zu jung gewesen war, um Zeuge dieses Spektakels zu sein, hatte Cersei als Mädchen doch die Geschichten der Waschweiber und Wachen gehört, die dabei gewesen waren. Sie hatten davon gesprochen, wie die Frau geweint und gefleht hatte, wie sie sich verzweifelt an ihre Kleider geklammert hatte, als man ihr befahl, sich auszuziehen, und an ihre vergeblichen Bemühungen, die Brüste und ihr Geschlecht mit den Händen abzudecken, während sie barfuß und nackt durch die Straßen in die Verbannung lief. »Vorher war sie eitel und stolz«, hatte eine der Wachen gesagt, wie sie sich erinnerte, »so hochmütig, dass man meinen mochte, sie habe vergessen, dass auch sie nur aus Erde gemacht war. Nachdem wir ihr die Kleider ausgezogen hatten, war sie allerdings einfach nur eine Hure wie die anderen.«
    Falls Ser Kevan und der Hohe Spatz glaubten, das Gleiche träfe auch auf sie zu,

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