Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)

Titel: 10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: George R. R. Martin
Vom Netzwerk:
eilte weiter.
    Als sie den Violetten Hafen erreichte, hatte der alte Mann es sich bereits an seinem gewohnten Tisch in der Suppenküche bequem gemacht und zählte Münzen aus einer Börse, während er mit einem Kapitän feilschte. Der große dünne Leibwächter stand an seiner Seite. Der kleine Dicke saß an der Tür, wo er sich jeden genau anschauen konnte, der eintrat. Doch das spielte keine Rolle. Sie hatte nicht vor hineinzugehen. Stattdessen hockte sie sich auf einen Holzpoller, der zwanzig Schritt entfernt stand, während der stürmische Wind mit Geisterfingern an ihrem Mantel zerrte.
    Selbst an einem kalten grauen Tag wie diesem ging es im Hafen geschäftig zu. Sie sah Seeleute auf der Jagd nach Huren, und Huren auf der Jagd nach Seeleuten. Zwei Bravos gingen in zerknitterter Pracht vorbei und stolperten Arm in Arm mit rasselnden Klingen an der Seite betrunken durch den Hafen. Ein Roter Priester eilte vorbei, seine scharlach- und purpurroten Roben flatterten im Wind.
    Es war schon fast Mittag, als sie den Mann sah, den sie ausgesucht hatte, einen wohlhabenden Schiffseigner, den sie schon dreimal gesehen hatte, wie er mit dem alten Mann Geschäfte gemacht hatte. Groß und kahl und stämmig trug er einen schweren Mantel aus gutem braunen Samt, der mit Pelz gesäumt war, dazu einen braunen Ledergürtel, der mit silbernen Monden und Sternen verziert war. Von einem Unfall hatte er ein steifes Bein zurückbehalten. Er ging langsam und lehnte sich auf einen Stock.
    Er würde ihren Zwecken so gut wie jeder andere dienen, wahrscheinlich sogar besser als die meisten, entschied das hässliche Mädchen. Sie hüpfte von ihrem Poller und folgte dem Mann. Nach einem Dutzend Schritten war sie hinter ihm und hielt das Fingermesser bereit. Sein Beutel hing ihm auf der rechten Seite am Gürtel, doch sein Mantel war im Weg. Ihre Klinge blitzte auf, schnell und zügig, und den tiefen Schnitt durch den Samt spürte er gar nicht. Der Rote Roggo hätte gelächelt, wenn er sie gesehen hätte. Sie schob die Hand durch den Schlitz, schnitt den Beutel mit dem Fingermesser auf, und füllte ihre Faust mit Gold …
    Der große Mann drehte sich um. »Was …«
    Durch die Bewegung verhedderte sich ihr Arm in den Falten des Mantels, als sie die Hand zurückzog. Um ihre Füße herum regnete es Münzen. » Dieb! « Der große Mann hob seinen Stock, um sie zu schlagen. Sie trat ihm das steife Bein unter dem Körper weg, und als er stürzte, tänzelte sie zur Seite und rannte davon, an einer Mutter mit Kind vorbei. Noch mehr Münzen fielen ihr aus der Hand und hüpften über den Boden. Hinter ihr schrie jemand » Haltet den Dieb!« Ein Wirt mit einem dicken Bauch grapschte unbeholfen nach ihrem Arm, doch sie wich ihm aus und lief an einer lachenden Hure vorbei auf die nächste Gasse zu.
    Katz aus den Kanälen hatte diese Gassen gekannt, und das hässliche Mädchen erinnerte sich. Sie rannte nach links, schwang sich über eine niedrige Mauer, sprang über einen schmalen Kanal und schlüpfte durch eine unverschlossene Tür in einen staubigen Lagerraum. Inzwischen hörte sie keine Verfolger mehr hinter sich, aber sie wollte kein Risiko eingehen. Also hockte sie sich zwischen einige Kisten und wartete, die Arme um die Knie geschlungen. Sie wartete fast eine Stunde lang, dann entschied sie, dass es sicher war aufzubrechen, und kletterte auf das Dach des Gebäudes. Bis zum Kanal der Helden wählte sie den Weg über die Dächer. Inzwischen sollte der Schiffseigner die Münzen eingesammelt und in die Suppenküche gehinkt sein. Dort trank er vielleicht eine heiße Brühe und beschwerte sich bei dem alten Mann über das hässliche Mädchen, das versucht hatte, ihm seinen Beutel zu rauben.
    Im Haus von Schwarz und Weiß saß der Gütige Mann auf dem Rand des Beckens und erwartete sie. Das hässliche Mädchen setzte sich zu ihm und legte eine Münze zwischen sie. Sie war aus Gold und hatte einen Drachen auf der einen und einen König auf der anderen Seite.
    »Ein Golddrachen aus Westeros«, sagte der Gütige Mann. »Wie bist du daran gekommen? Wir sind keine Diebe.«
    »Ich habe ihn nicht gestohlen. Ich habe einen von seinen genommen, ihm aber einen von unseren dagelassen.«
    Der Gütige Mann verstand. »Und mit dieser Münze und den anderen in seinem Beutel hat er einen bestimmten Mann bezahlt. Und bald darauf hat das Herz dieses Mannes versagt. Ist es so geschehen? Sehr traurig.« Der Priester hob die Münze auf und warf sie in das Becken. »Du hast noch

Weitere Kostenlose Bücher