10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
hatten sie sich gründlich geirrt. Lord Tywins Blut floss in ihren Adern. Ich bin eine Löwin. Ich werde nicht vor ihnen katzbuckeln.
Die Königin ließ ihre Robe von den Schultern gleiten.
Sie entblößte sich gelassen und ohne Hast, als wäre sie in ihren eigenen Gemächern und ziehe sich für ein Bad aus, allein vor den Augen ihrer Zofen. Als der kalte Wind über ihre Haut strich, zitterte sie heftig. Sie musste ihre gesamte Willenskraft aufbringen, um sich nicht mit den Händen zu bedecken wie die Hure ihres Großvaters. Ihre Finger ballten sich zu Fäusten, die Nägel drückten sich tief in die Handflächen. Sie starrten sie mit gierigen Augen an. Aber was sahen sie? Ich bin wunderschön, erinnerte sie sich. Wie oft hatte Jaime ihr das gesagt? Sogar Robert hatte ihr das zugestanden, wann immer er betrunken in ihr Bett gekommen war, um ihr mit seinem Säuferschwanz zu huldigen.
Ned Stark haben sie allerdings genauso angestarrt.
Sie musste sich in Bewegung setzen. Nackt, geschoren und barfuß ging Cersei langsam die breiten Marmorstufen hinunter. Auf ihren Armen und Beinen bildete sich Gänsehaut. Sie hob das Kinn, wie es einer Königin geziemte, und ihre Eskorte fächerte sich vor ihr aus. Die Armen Gefährten schoben die Menschen zur Seite, um eine Gasse durch die Menge zu bilden, während die Schwerter sich links und rechts zu ihr gesellten. Septa Unella, Septa Scolera und Septa Moelle folgten ihr. Hinter ihnen gingen die Novizinnen in Weiß.
» Hure! «, rief jemand. Eine Frauenstimme. Frauen waren immer am grausamsten, wenn andere Frauen betroffen waren.
Cersei beachtete sie nicht. Es wird noch mehr kommen, und es wird schlimmer werden. Diese Wesen haben keine süßere Freude im Leben, als diejenigen zu verspotten, die über ihnen stehen. Sie konnte sie nicht zum Schweigen bringen, daher musste sie einfach vorgeben, sie nicht zu hören. Und auch nicht zu sehen. Sie würde den Blick auf Aegons Hohen Hügel am anderen Ende der Stadt richten, auf die Türme des Roten Bergfrieds, die im Licht leuchteten. Dort würde ihre Erlösung auf sie warten, wenn ihr Onkel sich an seinen Teil der Abmachung hielt.
Er wollte das. Er und der Hohe Spatz. Und die kleine Rose ebenfalls, daran zweifele ich nicht. Ich habe gesündigt, und jetzt muss ich Buße tun, ich muss meine Schande jedem Bettler in der Stadt vor Augen führen. Sie glauben, damit könnten sie meinen Stolz brechen, sie glauben, damit könnten sie mir mein Ende bereiten, aber sie irren sich.
Septa Unella und Septa Moelle blieben an ihrer Seite, während Septa Scolera hinter ihr ging und eine Glocke läutete. » Schande«, rief die alte Hexe, » Schande über die Sünderin, Schande, Schande.« Irgendwo auf der rechten Seite sang eine andere Stimme, passend zu der Melodie: »Fleischpastete, drei Heller, heiße Fleischpastete.« Der Marmorboden war kalt und glatt, und Cersei musste aufpassen, dass sie nicht ausrutschte. Ihr Weg führte sie an der Statue von Baelor dem Seligen vorbei, der hoch und ernst auf seinem Sockel stand. Sein Gesicht war die Verkörperung der Mildtätigkeit. Wenn man ihn so anschaute, konnte man nicht ahnen, was für ein Narr er gewesen war. Die Dynastie der Targaryen hatte gute und schlechte Könige hervorgebracht, doch keiner von ihnen wurde so innig geliebt wie Baelor, dieser fromme, freundliche Septon-König, der das gemeine Volk und die Götter gleichermaßen geliebt hatte und doch seine eigenen Schwestern eingesperrt hatte. Es war ein Wunder, dass seine Statue beim Anblick ihrer entblößten Brüste nicht zerbröckelte. Tyrion hatte immer gesagt, König Baelor habe Angst vor seinem eigenen Schwanz gehabt. Einmal, so erinnerte sie sich, hatte er alle Huren aus King’s Landing verwiesen. Er hatte für sie gebetet, als sie zu den Toren hinausgejagt worden waren, aber er hatte nicht eine einzige angeschaut.
»Metze«, schrie eine Stimme. Wieder eine Frau. Aus der Menge kam etwas angeflogen. Faules Gemüse. Braun und matschig segelte es über sie hinweg und landete vor den Füßen eines Armen Gefährten. Ich habe keine Angst. Ich bin eine Löwin. Sie ging weiter. »Heiße Pastete«, rief der Bäckerjunge. »Hier gibt’s Pastete.« Septa Scolera läutete die Glocke und sagte: »Schande, Schande, Schande über die Sünderin, Schande, Schande.« Die Armen Gefährten gingen vor ihnen und drängten die Leute mit ihren Schilden auseinander und teilten einen schmalen Pfad ab. Cersei folgte ihnen, das Haupt steif erhoben und den Blick in
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