10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
die Ferne gerichtet. Mit jedem Schritt kam sie dem Roten Bergfried näher. Jeder Schritt brachte sie ihrem Sohn und ihrer Erlösung näher.
Es schien hundert Jahre zu dauern, bis sie den Platz überquert hatten, aber schließlich endete der Marmor, und die Pflastersteine begannen. Läden, Ställe und Häuser schlossen sie ein, und sie begannen den Abstieg von Visenyas Hügel.
Hier ging es langsamer voran. Die Straßen waren steil und schmal, die Menge drängte sich eng zusammen. Die Armen Gefährten versuchten, diejenigen zur Seite zu schieben, die im Weg standen, aber es gab keinen Platz, und die weiter hinten drückten nach vorn. Cersei gab sich Mühe, den Kopf hochzuhalten, doch sie trat in etwas Rutschiges und glitt aus. Hätte Septa
Unella sie nicht am Arm gepackt und gehalten, wäre sie vielleicht gefallen. »Euer Gnaden sollte, aufpassen, wo sie hintritt.«
Cersei zog ihren Arm weg. »Ja, Septa«, sagte sie unterwürfig, obwohl sie wütend genug war, um auszuspucken. Die Königin ging weiter, gekleidet allein in Gänsehaut und Stolz. Sie hielt Ausschau nach dem Roten Bergfried, aber er war jetzt nicht zu sehen hinter den hohen Fachwerkhäusern zu beiden Seiten. » Schande, Schande«, sang Septa Scolera und läutete die Glocke. Cersei versuchte, schneller zu gehen, aber die Sterne vor ihr waren abermals langsamer geworden. Ein Mann genau vor ihnen verkaufte Fleischspieße von einem Karren, und die Prozession blieb stehen, während die Armen Gefährten ihn aus dem Weg schafften. Das Fleisch sah in Cerseis Augen verdächtig nach Ratte aus, aber der Duft erfüllte die Luft, und die Hälfte der Leute knabberte an Fleischspießen, als die Straße endlich wieder frei war. »Möchtet Ihr auch etwas, Euer Gnaden?«, rief ein Mann. Es war ein großer, stämmiger Kerl mit Schweinsäuglein, riesigem Bauch und einem ungepflegten schwarzen Bart, der sie an Robert erinnerte. Als sie angeekelt zur Seite blickte, warf er den Spieß nach ihr. Er traf sie am Bein und fiel auf die Straße, doch das halb rohe Fleisch hinterließ eine Spur aus Fett und Blut auf ihrem Schenkel.
Hier schien das Geschrei lauter zu sein als auf dem Platz, vielleicht, weil der Pöbel enger zusammengedrängt war. »Hure« und »Sünderin« waren die häufigsten Beschimpfungen, doch auch »Bruderfickerin« und »Fotze« und »Verräterin« kamen vor, und dann und wann hörte sie sogar jemanden nach Stannis oder Margaery rufen. Das Pflaster unter ihren Füßen war dreckig, und es gab so wenig Platz, dass sie nicht einmal um die Pfützen herumgehen konnte. An nassen Füßen ist noch niemand gestorben, sagte sie sich. Sie wollte gern glauben, dass in den Pfützen nur Regenwasser war, aber genauso gut konnte es sich um Pferdepisse handeln.
Von Fenstern und Balkonen hagelte es weitere Wurfgeschosse: halb verfaultes Obst, Bierkrüge, Eier, die nach Schwefel stanken, wenn sie auf dem Boden platzten. Dann schleuderte jemand eine tote Katze über die Armen Gefährten und die Söhne des Kriegers hinweg. Der Kadaver schlug mit solcher Wucht auf, dass er aufplatzte und Eingeweide und Maden auf ihre Unterschenkel spritzten.
Cersei ging weiter. Ich bin blind und taub, und sie sind Würmer, sagte sie zu sich. » Schande, Schande«, sangen die Septas. »Kastanien, heiße geröstete Kastanien«, rief ein Händler. »Königin Fotze«, verkündete ein Betrunkener feierlich von einem Balkon oben und hob den Becher, um einen spöttischen Trinkspruch auszubringen. »Heil den königlichen Titten!« Worte sind Wind, dachte Cersei. Worte können mich nicht verletzen.
Auf halbem Weg Visenyas Hügel hinunter stürzte die Königin zum ersten Mal, als sie in etwas ausrutschte, das Kot gewesen sein mochte. Als Septa Unella sie hochzog, hatte sie sich das Knie blutig aufgeschrammt. Die Menge lachte rau, und ein Mann bot ihr an, die Wunde zu küssen, damit sie schneller heilte. Cersei blickte sich um. Sie sah immer noch die große Kuppel und die sieben Kristalltürme der Großen Septe von Baelor auf dem Hügel. Habe ich wirklich erst so ein kleines Stück geschafft? Schlimmer noch, hundertmal schlimmer, sie konnte den Roten Bergfried nicht mehr sehen. »Wohin … wohin …?«
»Euer Gnaden.« Der Hauptmann ihrer Eskorte trat zu ihr. Cersei hatte seinen Namen vergessen. »Ihr müsst weitergehen. Die Menge wird unruhig.«
Ja, dachte sie. Unruhig. »Ich habe keine Angst …«
»Ihr solltet aber Angst haben.« Er packte sie am Arm und zog sie neben sich her. Sie taumelte den
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