10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
aber Selmy blieb darin sitzen, bis es kalt geworden war, und schrubbte sich die Haut ab, bis sie rot wurde. So sauber wie nie zuvor im Leben erhob er sich, trocknete sich ab und kleidete sich in Weiß. Strümpfe, Unterwäsche, Seidengewand, gefüttertes Wams, alles war frisch gewaschen und gebleicht. Darüber zog er die Rüstung, die ihm die Königin als Zeichen ihrer Wertschätzung geschenkt hatte. Das Kettenhemd war vergoldet und eine feine Schmiedearbeit, die Glieder waren so geschmeidig wie gutes Leder, der Brustpanzer war emailliert, hart wie Eis und hell wie frisch gefallener Schnee. Sein Dolch kam an die eine Hüfte, das Langschwert an die andere, beides hing an einem weißen Ledergurt mit goldenen Schnallen. Als Letztes nahm er seinen langen weißen Umhang und befestigte ihn an den Schultern.
Den Helm ließ er am Haken hängen. Der schmale Sehschlitz begrenzte die Sicht, und er musste sehen können, was auf ihn zukam. In den Hallen der Pyramiden herrschte nachts Dunkelheit, und von jeder Seite konnten Gegner angreifen. Außerdem blieb in den verzierten Drachenflügeln, so hübsch anzusehen sie auch waren, allzu leicht ein Schwert oder eine Axt hängen. Er würde sich den Helm für sein nächstes Turnier aufbewahren, so ihm die Sieben eines gewähren würden.
Bewaffnet und gerüstet wartete der alte Ritter und saß in der Dunkelheit seiner kleinen Kammer, die an die Gemächer der Königin grenzte. In der Dunkelheit vor ihm schwebten die Gesichter all der Könige, denen er gedient und die er enttäuscht hatte, und dazu die Gesichter all der Brüder, die mit ihm zusammen in der Königsgarde gedient hatten. Er fragte sich, wie viele von ihnen getan hätten, was er bald tun würde. Einige mit Sicherheit. Aber nicht alle. Manche hätten nicht gezögert und den Schurschädel als Hochverräter erschlagen. Außerhalb der Pyramide begann es zu regnen. Ser Barristan saß allein im Dunkeln und lauschte. Es klingt wie Tränen, dachte er. Als würden tote Könige weinen.
Dann war es Zeit zum Aufbruch.
Die Große Pyramide von Meereen war nach dem Vorbild der Großen Pyramide von Ghis gebaut worden, deren kolossale Ruine Lomas Langschritt einst besucht hatte. Wie ihr uralter Vorgänger, dessen rote Marmorhallen nun von Fledermäusen und Spinnen heimgesucht wurden, bestand die meereenische Pyramide aus dreiunddreißig Stockwerken, eine Zahl, die den Göttern von Ghis aus irgendeinem Grunde heilig war. Ser Barristan begann den langen Abstieg allein, sein weißer Mantel wallte hinter ihm, als er sich auf den Weg machte. Er nahm nicht die große Treppe aus geädertem Marmor, sondern die schmalere, steilere und geradere Treppe der Diener, die in den dicken Ziegelmauern verborgen war.
Zwölf Stockwerke tiefer stieß er auf den wartenden Schurschädel, dessen derbe Gesichtszüge immer noch hinter der gleichen Maske versteckt waren wie am Morgen, einer Blutfledermaus. Sechs Messingtiere begleiteten ihn. Alle hatten als Maske ein Insekt gewählt, und alle das gleiche.
Heuschrecken, erkannte Selmy. »Groleo«, sagte er.
»Groleo«, erwiderte eine der Heuschrecken.
»Ich habe noch mehr Heuschrecken, falls Ihr noch welche braucht«, sagte Skahaz.
»Sechs sollten genügen. Was ist mit den Männern an den Türen?«
»Das sind meine. Ihr werdet keine Schwierigkeiten haben.«
Ser Barristan ergriff den Schurschädel am Arm. »Vergießt nur Blut, wenn es unbedingt sein muss. Morgen früh werden wir einen Rat bilden und der Stadt mitteilen, was wir getan haben und warum.«
»Wie Ihr sagt. Viel Glück, alter Mann.«
Sie gingen verschiedener Wege. Die Messingtiere schlossen sich Ser Barristan an, der weiter nach unten stieg.
Die Gemächer des Königs lagen im Herzen der Pyramide vergraben, im sechzehnten und siebzehnten Stockwerk. Als Selmy dort eintraf, fand er die Türen ins Innere mit einer Kette verschlossen vor, und zwei Messingtiere hielten davor Wache. Unter den Kapuzen der zusammengestückelten Mäntel sah er eine Ratte und einen Ochsen.
»Groleo«, sagte Ser Barristan.
»Groleo«, erwiderte der Ochse. »Dritter Gang rechts.« Die Ratte schloss die Kette auf. Ser Barristan und seine Eskorte betraten einen schmalen, von Fackeln erhellten Gang für Diener, der aus roten und schwarzen Ziegel gemauert war. Ihre Schritte hallten über den Boden, während sie an zwei Gängen vorbeimarschierten und in den dritten auf der rechten Seite einbogen.
Vor der mit Schnitzereien verzierten Hartholztür des Königs stand Stahlhaut, ein
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