10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
beim Lesen vor. »Bleib heute Nacht hier, Kind«, sagte er zu ihr. »Was immer geschieht, was immer du auch siehst oder hörst, verlass die Gemächer der Königin nicht.«
»Diese hier gehorcht«, sagte das Mädchen. »Wenn ich mir die Frage erlauben darf …«
»Besser nicht.« Ser Barristan trat allein hinaus auf den Terrassengarten. Für solche Dinge bin ich nicht geschaffen, überlegte er, während er hinaus auf die Stadt blickte, die sich unter ihm ausbreitete. Die Pyramiden erwachten eine nach der anderen, Laternen und Fackeln flackerten auf, während sich in den Straßen darunter Schatten sammelten. Verschwörungen, Ränke, Geflüster, Lügen, Geheimnisse über Geheimnisse, und irgendwie bin ich ein Teil davon geworden.
Vielleicht hätte er sich inzwischen an solche Dinge gewöhnen sollen. Der Rote Bergfried hatte ebenfalls seine Geheimnisse gehabt. Sogar Rhaegar. Der Prinz von Dragonstone hatte ihm nie so vertraut, wie er Arthur Dayne vertraute. Harrenhal war der beste Beweis dafür. Das Jahr des Falschen Frühlings.
Die Erinnerung daran schmeckte immer noch bitter. Der alte Lord Whent hatte kurz nach einem Besuch von seinem Bruder, Ser Oswell Whent von der Königsgarde, das Turnier angekündigt. Da Varys ihm ständig ins Ohr flüsterte, war König Aerys bald überzeugt, sein Sohn habe sich verschworen, um ihn abzusetzen, und Whents Turnier wäre lediglich ein Vorwand, damit Rhaegar so viele Große Lords wie möglich treffen könnte. Aerys hatte seit Duskendale keinen Fuß mehr aus dem Roten Bergfried gesetzt, dennoch ließ er plötzlich verlauten, dass er Prinz Rhaegar nach Harrenhal begleiten wollte, und von dem Moment an war alles schiefgelaufen.
Wenn ich ein besserer Ritter gewesen wäre … wenn ich den Prinzen beim letzten Tjost aus dem Sattel gestoßen hätte, so wie ich viele andere aus dem Sattel gehoben habe, dann wäre es mir zugefallen, die Königin der Liebe und Schönheit zu küren …
Rhaegar hatte Lyanna Stark von Winterfell gekürt. Barristan Selmy hätte eine andere Wahl getroffen. Nicht die Königin, die nicht zugegen war. Auch nicht Elia von Dorne, obwohl sie gut und sanftmütig war; wäre sie gekürt worden, hätten Krieg und Kummer vermieden werden können. Seine Wahl wäre auf eine junge Jungfrau gefallen, die noch nicht lange bei Hofe war, eine von Elias Hofdamen … obwohl die dornische Prinzessin im Vergleich mit Ashara Dayne eine Küchenmagd war.
Selbst nach all den Jahren erinnerte sich Ser Barristan noch an Asharas Lächeln, an den Klang ihres Lachens. Er brauchte nur die Augen zu schließen, um sie vor sich zu sehen, ihre langen dunklen Haare, die ihr über die Schultern wallten, und diese betörenden violetten Augen. Daenerys hat die gleichen Augen. Manchmal, wenn die Königin ihn ansah, fühlte es sich an, als betrachte er Asharas Tochter …
Aber Asharas Tochter war eine Totgeburt gewesen, und bald darauf hatte seine schöne Dame sich von einem Turm gestürzt, wahnsinnig aus Trauer um das verlorene Kind, und vielleicht auch wegen des Mannes, der sie in Harrenhal entehrt hatte. Sie starb, ohne je erfahren zu haben, dass Ser Barristan sie geliebt hatte. Woher hätte sie es auch wissen sollen? Er war ein Ritter der Königsgarde und hatte geschworen, im Zölibat zu leben. Es hätte zu nichts Gutem geführt, wenn er ihr seine Gefühle gestanden hätte. Und das Schweigen hatte auch zu nichts Gutem geführt. Hätte ich Rhaegar vom Pferd gestoßen und Ashara zur Königin der Liebe und Schönheit gekrönt, hätte sie dann mich angehimmelt statt Stark?
Er würde es niemals erfahren. Aber kein anderes Scheitern verfolgte Barristan Selmy so hartnäckig wie dieses.
Der Himmel war wolkenverhangen, die Luft heiß, schwül, drückend, und dennoch lag etwas darin, das ihm einen Schauer über den Rücken jagte. Regen, dachte er. Ein Sturm zieht auf. Wenn nicht heute Nacht, dann morgen. Ser Barristan fragte sich, ob er diesen Sturm noch erleben würde. Falls Hizdahr eine eigene Spinne hat, bin ich ein toter Mann. Sollte es zum Schlimmsten kommen, beabsichtigte er zu sterben, wie er gelebt hatte, mit dem Langschwert in der Hand.
Als das letzte Licht im Westen hinter den Segeln der Schiffe, die in der Sklavenbucht herumschlichen, erlosch, ging Ser Barristan wieder hinein und rief zwei Diener, denen er auftrug, Wasser für ein Bad heiß zu machen. Nach den Übungen mit seinen Knappen am Nachmittag fühlte er sich schmutzig und verschwitzt.
Das Wasser, das sie brachten, war nur lauwarm,
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