10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
nicht vergessen habe. Er hörte, wie der Regen draußen auf die Ziegel trommelte.
Als die Stunde des Wolfes anbrach, ging der Regen in einem kalten, harten Prasseln nieder und würde die Ziegelstraßen von Meereen bald in Sturzbäche verwandelt haben. Die drei Dornischen frühstückten in der Kälte vor dem Morgengrauen und nahmen ein schlichtes Mahl aus Obst und Brot und Käse zu sich, dazu tranken sie Ziegenmilch. Gerris wollte sich einen Becher Wein einschenken, doch Quentyn hielt ihn davon ab. »Keinen Wein. Danach haben wir Zeit genug zum Trinken.«
»Hoffen wir es«, erwiderte Gerris.
Der Große Mann schaute hinaus auf die Terrasse. »Ich wusste, dass es regnen würde«, sagte er in düsterem Tonfall. »Gestern Abend haben mir die Knochen wehgetan. Das tun sie immer, bevor es regnet. Den Drachen wird das nicht gefallen. Feuer und Wasser vertragen sich nicht, das ist eine Tatsache. Wenn man ein gutes Kochfeuer angezündet hat, das lustig vor sich hin flackert, und es dann anfängt zu pissen, wird das Holz feucht, und die Flammen sterben.«
Gerris kicherte. »Drachen sind nicht aus Holz, Arch.«
»Manche doch. Dieser alte König Aegon, der Geile, er hat Drachen aus Holz gebaut, um uns zu erobern. Das ist allerdings übel ausgegangen.«
Wie diese Sache vielleicht auch, dachte der Prinz. Die Verrücktheiten und Fehlschläge von Aegon dem Unwerten machten ihm keine Sorge, doch ihn plagten Zweifel und Bedenken. Die gezwungenen Scherze seiner Freunde bereiteten ihm nur Kopfschmerzen. Sie verstehen es nicht. Sie mögen Dornische sein, aber ich bin Dorne. In vielen Jahren, wenn ich tot bin, wird man ein Lied über mich und diesen Tag singen. Abrupt erhob er sich. »Es ist Zeit.«
Seine Freunde standen auf. Ser Archibald trank seinen letzten Schluck Ziegenmilch und wischte sich mit der Pranke den Milchbart von der Oberlippe. »Ich hole unsere Mimengewänder.«
Er kehrte mit dem Bündel Kleider zurück, das ihnen der Flickenprinz bei ihrem zweiten Treffen gegeben hatte. Es bestand aus drei langen Kapuzenmänteln, die aus einer Myriade kleiner Vierecke aus Stoff zusammengenäht waren, drei Knüppeln, drei Kurzschwertern und drei Masken aus poliertem Messing. Ein Stier, ein Löwe und ein Affe.
Alles, was man brauchte, um ein Messingtier zu werden.
»Sie fragen vielleicht nach einer Parole«, hatte der Flickenprinz sie gewarnt, als er ihnen das Bündel überreichte. »Sie lautet Hund .«
»Seid Ihr sicher?«, hatte Gerris nachgehakt.
»So sicher, dass ich ein Leben darauf verwetten würde.«
Dem Prinz entging die Bedeutung nicht. »Mein Leben.«
»Das wäre es, ja.«
»Wie habt Ihr die Parole herausgefunden?«
»Wir haben zufällig einige Messingtiere getroffen, und Meris hat sie nett gefragt. Aber ein Prinz sollte solche Fragen eigentlich nicht stellen, Dornischer. In Pentos haben wir ein Sprichwort: Frage niemals den Bäcker, was im Kuchen ist. Iss einfach.«
Iss einfach. Darin lag eine gewisse Weisheit, dachte Quentyn.
»Ich nehme den Stier«, verkündete Arch.
Quentyn reichte ihm die Stiermaske. »Der Löwe ist für mich.«
»Dann werde ich mich also zum Affen machen.« Gerris drückte sich die Affenmaske vors Gesicht. »Wie atmet man mit diesen Dingern?«
»Setz sie einfach auf.« Der Prinz war nicht in der Stimmung für Scherze.
In dem Bündel befand sich außerdem eine Peitsche, ein fies aussehendes Stück altes Leder mit einem Griff aus Messing und Knochen, kräftig genug, um einem Ochsen das Fell abzuziehen. »Wofür ist die?«, fragte Arch.
»Daenerys hat eine Peitsche benutzt, um die schwarze Bestie einzuschüchtern.« Quentyn wickelte die Peitsche auf und hängte sie sich an den Gürtel. »Arch, nimm deinen Hammer mit. Vielleicht brauchen wir ihn.«
Es war nicht leicht, die Große Pyramide von Meereen bei Nacht zu betreten. Die Türen wurden jeden Tag bei Sonnenuntergang verschlossen und verrammelt und blieben bis zum Morgengrauen geschlossen. An jedem Eingang standen Wachen, und auf der untersten Terrasse, von der aus man auf die Straße schauen konnte, waren weitere postiert. Ursprünglich hatte die Wache aus Unbefleckten bestanden. Jetzt waren es Messingtiere. Und das würde hoffentlich den entscheidenden Unterschied ausmachen, hoffte Quentyn.
Wachwechsel war bei Sonnenaufgang, aber die Dämmerung würde erst in einer halben Stunde anbrechen, als sich die drei Dornischen auf den Weg die Dienstbotentreppe hinunter machten. Die Wände um sie herum bestanden aus Ziegeln in einem halbem
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