10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
von hinten an sie heranschleichen konnte.
Asha Greyjoy reiste im Tross mit, in einem Karren mit Verdeck und zwei riesigen, eisenbeschlagenen Rädern. Sie war an Händen und Füßen gefesselt und wurde Tag und Nacht von einer Bärin bewacht, die schlimmer schnarchte als jeder Mann. Seine Gnaden König Stannis ging nicht das geringste Risiko ein, dass seine Beute der Gefangenschaft entfloh. Er beabsichtigte, sie nach Winterfell zu schleppen, um sie dort den Lords des Nordens vorzuführen, die Tochter des Kraken, in Ketten und gebrochen, ein Beweis seiner Macht.
Trompeten schickten die Kolonne auf die Reise. Speerspitzen glänzten im Licht der aufsteigenden Sonne, und an den Wegrändern glitzerte das Gras im Morgenfrost. Zwischen Deepwood Motte und Winterfell lagen dreihundert Meilen Wald. Dreihundert Meilen, so wie der Rabe fliegt. »Fünfzehn Tage«, versicherten die Ritter einander.
»Robert hätte es in zehn geschafft«, hörte Asha Lord Grimm prahlen. Sein Großvater war von Robert bei Summerhall erschlagen worden; und irgendwie war der Schlächter des Großvaters in den Augen des Enkels zu einer götterähnlichen Gestalt aufgestiegen. »Robert wäre schon vor vierzehn Tagen in Winterfell gewesen und hätte Bolton von der Mauer eine lange Nase gezeigt.«
»Das würde ich Stannis gegenüber lieber nicht erwähnen«, schlug Justin Massie vor, »sonst lässt er uns Tag und Nacht marschieren.«
Dieser König lebt im Schatten seines Bruders, dachte Asha.
Ihr Knöchel schmerzte immer noch, wenn sie versuchte, ihn zu belasten. Irgendetwas war gebrochen, daran zweifelte sie nicht. Die Schwellung war schon in Deepwood zurückgegangen, aber der Schmerz war geblieben. Eine Verstauchung wäre sicherlich längst ausgeheilt. Ihre Eisenketten rasselten jedes Mal, wenn sie sich bewegte. Von den Handschellen waren ihre Handgelenke und ihr Stolz wund geworden. Doch das war der Preis der Unterwerfung.
»Es hat noch keinen umgebracht, das Knie zu beugen«, hatte ihr Vater einmal gesagt. »Wer kniet, kann sich wieder erheben, mit der Klinge in der Hand. Wer nicht kniet, bleibt tot, mitsamt den steifen Beinen.« Balon Greyjoy hatte bewiesen, wie richtig seine Worte waren, als seine erste Rebellion gescheitert war; der Krake hatte das Knie vor dem Hirsch und dem Schattenwolf gebeugt, um sich wieder zu erheben, nachdem Robert Baratheon und Eddard Stark tot waren.
Und so hatte es die Tochter des Kraken in Deepwood genauso gehalten, als man sie in Fesseln und humpelnd (doch glücklicherweise nicht vergewaltigt) vor dem König zu Boden warf und ihr der Schmerz durch den Knöchel schoss. »Ich ergebe mich, Euer Gnaden. Macht mit mir, was Ihr wollt. Ich bitte nur darum, meine Männer zu verschonen.« Qarl und Tris und die anderen, die den Wolfswald überlebt hatten, waren alles, worum sie sich zu sorgen hatte. Es waren nur neun geblieben. Wir lumpigen neun, nannte Cromm sie. Er war am übelsten verwundet.
Stannis hatte ihnen das Leben geschenkt. Dennoch spürte sie keine richtige Gnade in diesem Mann. Er war ohne Zweifel entschlossen, und es mangelte ihm auch nicht an Mut. Die Männer sagten, er sei gerecht … und auch wenn er hart und ohne Milde Recht sprach, war Asha Greyjoy von den Iron Islands daran gewöhnt. Trotzdem konnte sie diesen König nicht lieben. Diese tief liegenden blauen Augen strahlten stets Misstrauen aus, und kalte Wut brodelte gleich unter ihrer Oberfläche. Ihr Leben bedeutete ihm wenig und noch viel weniger. Sie war nur seine Geisel, eine Trophäe, um dem Norden zu zeigen, wie man die Eisenmänner besiegte.
Oder wie man sich lächerlich macht. Eine Frau zu besiegen würde bei den Nordmännern keinen Eindruck schinden, wenn sie diesen Menschenschlag richtig einschätzte, und als Geisel war sie vollkommen wertlos. Jetzt herrschte ihr Onkel auf den Iron Islands, und Krähenauge würde sich nicht darum scheren, ob sie lebte oder starb. Dieser Jammergestalt von einem Gemahl, den Euron ihr aufgebürdet hatte, würde es vielleicht etwas ausmachen, doch Erik Eisenmacher hatte nicht genug Münzen, um sie freizukaufen. Das allerdings konnte sie Stannis Baratheon nicht erklären. Allein die Tatsache, dass sie eine Frau war, schien ihn zu beleidigen. Männer aus den Grünen Landen, so viel wusste sie, mochten süße, sanfte Frauen, die Seide trugen anstatt Kettenhemd und Leder und einer Wurfaxt in jeder Hand. Ihre kurze Begegnung mit dem König in Deepwood Motte hatte sie allerdings davon überzeugt, dass er für sie auch
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