10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
hat die Rote Hochzeit nicht vergessen. Jeder Lord in Winterfell hat dort Verwandte verloren. Stannis braucht Bolton nur bluten zu lassen, dann werden die Nordmänner ihn im Stich lassen.«
Das hofft Ihr, dachte Asha, aber zuerst muss der König ihn bluten lassen. Nur ein Narr desertiert, wenn er auf der Gewinnerseite steht.
Ser Justin besuchte sie am ersten Tag ein halbes Dutzend Mal auf dem Karren, brachte ihr Essen und Trinken und Neuigkeiten vom Marsch. Er war ein Mann, der gern lächelte und endlos scherzte, groß und gut gebaut, mit rosa Wangen, blauen Augen und einem windzerzausten Schopf flachsblonden Haares. Er war ein rücksichtsvoller Wächter, der sich stets um die Bequemlichkeit seiner Gefangenen sorgte.
»Er will Euch«, sagte die Bärin nach dem dritten Besuch.
Eigentlich hieß sie Alysane aus dem Hause Mormont, aber sie trug den anderen Namen genauso leicht wie ihr Kettenhemd. Klein, klobig und muskelbepackt hatte die Erbin von Bear Island mächtige Schenkel, mächtige Brüste und mächtige, schwielige Hände. Sogar im Schlaf trug sie das Kettenhemd unter ihren Fellen, darunter gehärtetes Leder und unter dem Leder ein altes Schaffell, mit der Außenseite nach innen, weil es so wärmer war. Mit all diesen Schichten war sie fast genauso breit wie hoch. Und sie sah grimmig aus. Manchmal fiel es Asha Greyjoy schwer, sich vorzustellen, dass sie und die Bärin beinahe im gleichen Alter waren.
»Er will mein Land«, erwiderte Asha. »Er will die Iron Islands.« Sie kannte die Anzeichen. Das hatte sie schon bei anderen Freiern erlebt. Massies eigene ererbte Ländereien weit im Süden waren für ihn verloren, daher musste er entweder eine gute Partie machen oder sich damit abfinden, nur ein Ritter am Hofe des Königs zu sein. Stannis hatte Ser Justins Hoffnung zerschlagen, die Wildlingsprinzessin zu heiraten, von der Asha schon so viel gehört hatte, und deshalb hatte er nun ein Auge auf sie geworfen. Ohne Zweifel träumte er davon, sie auf den Meersteinstuhl von Pyke zu setzen und durch sie zu regieren als ihr Herr und Gemahl. Dazu müsste er zunächst einmal ihren gegenwärtigen Herrn und Gemahl loswerden … ganz zu schweigen von dem Onkel, der sie mit ihm verheiratet hatte. Höchst unwahrscheinlich, schätzte Asha. Krähenauge würde Ser Justin zum Frühstück verspeisen und müsste nicht einmal rülpsen.
Das spielte keine Rolle. Das Land ihres Vaters würde niemals ihr gehören, gleichgültig, wen sie heiratete. Die Eisenmänner waren kein nachsichtiges Volk, und Asha war zweimal besiegt worden. Einmal auf dem Königsthing von ihrem Onkel Euron, und dann nochmals von Stannis bei Deepwood Motte. Mehr als genug, um ihr jede Fähigkeit zum Herrschen abzusprechen. Justin Massie oder einen anderen von Stannis Baratheons kleinen Lords zu heiraten würde eher schaden als nützen. Die Tochter des Kraken ist eben doch nur eine Frau, würden die Kapitäne und Könige sagen. Schaut nur, wie sie die Beine für diesen verweichlichten Lord aus den Grünen Landen breitmacht.
Trotzdem würde Asha Ser Justin zunächst nicht entmutigen, solange er versuchte, ihre Gunst mit Essen und Wein und Worten zu erringen. Er war eine bessere Gesellschaft als die wortkarge Bärin, und ansonsten war sie allein unter fünftausend Feinden. Tris Botley, Qarl die Jungfrau, Cromm, Roggon und der Rest ihrer blutbefleckten Truppe waren in Deepwood Motte geblieben, eingesperrt in Galbart Glovers Kerker.
Das Heer legte am ersten Tag zweiundzwanzig Meilen zurück, das jedenfalls war die Schätzung der Führer, die ihnen Lady Sybelle mitgegeben hatte, Fährtenleser und Jäger, Lehnsmänner von Deepwood. Am zweiten Tag kam das Heer vierundzwanzig Meilen weit, und die Vorhut überschritt die Grenzen der Ländereien der Glovers und erreichte den tiefen Wolfswald. » R’hllor, sende uns dein Licht, und führe uns durch diese Düsternis«, beteten die Gläubigen in dieser Nacht, während sie sich um die tosenden Flammen vor dem Pavillon des Königs scharten. Allesamt Ritter des Südens und ihre Soldaten. Asha hätte sie die Männer des Königs genannt, aber die anderen aus den Sturmlanden und den Kronlanden nannten sie die Männer der Königin … allerdings war es die Rote Königin in der Schwarzen Festung, der sie folgten, nicht Stannis Baratheons Gemahlin, die in Eastwatch-by-the-Sea zurückgelassen worden war. » Oh, Herr des Lichts, wir flehen dich an, richte dein flammendes Auge auf uns, und schenke uns Sicherheit und Wärme«, sangen
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