10 Ein Tanz mit Drachen (alte Übersetzung)
der Hitze aufsteigt.«
»Ich sehe Schädel. Und Euch. Jedes Mal, wenn ich in die Flammen schaue, sehe ich Euer Gesicht. Die Gefahr, vor der ich Euch gewarnt habe, ist schon sehr nahe.«
»Dolche im Dunkeln. Ich weiß. Bestimmt verzeiht Ihr mir meine Zweifel, Mylady. Ein graues Mädchen auf einem sterbenden Pferd, das vor einer Hochzeit flieht, das habt Ihr gesagt.«
»Ich habe mich nicht geirrt.«
»Ihr hattet aber auch nicht recht. Alys ist nicht Arya.«
»Die Vision war wahr. Meine Auslegung war falsch. Ich bin ebenso sterblich wie Ihr, Jon Snow. Alle Sterblichen sind fehlbar.«
»Sogar Lord Kommandanten.« Mance Rayder und seine Speerfrauen waren nicht zurückgekehrt, und Jon fragte sich inzwischen, ob die Rote Frau absichtlich gelogen hatte. Spielt sie ihr eigenes Spiel?
» Ihr würdet gut daran tun, Euren Wolf stets in Eurer Nähe zu behalten, Mylord.«
»Ghost ist selten weit weg.« Der Schattenwolf hob den Kopf, als er seinen Namen hörte, und Jon kraulte ihn hinter den Ohren. »Doch nun müsst Ihr mich entschuldigen. Ghost, komm mit.«
Die Eiszellen waren aus dem Fundament der Mauer gehauen und mit schweren Holztüren verschlossen; eine war kleiner als die andere. Manche waren groß genug, dass ein Mann hin und her gehen konnte, in anderen konnte man sich gerade einmal aufsetzen, und in den kleinsten reichte der Platz selbst dafür nicht.
Jon hatte seinem Hauptgefangenen die größte Zelle gegeben, dazu einen Eimer für seine Notdurft und ausreichend Felle, damit er nicht fror, sowie einen Schlauch Wein. Die Wachen brauchten eine Weile, bis sie die Zellentür geöffnet hatten, da das Schloss eingefroren war. Die verrosteten Angeln quietschten kreischend wie verdammte Seelen, als Docht Whittlestick die Tür gerade so weit aufzog, dass Jon hineinschlüpfen konnte. Schwacher Kotgeruch schlug ihm entgegen, allerdings weniger heftig, als er befürchtet hatte. Bei dieser bitteren Kälte gefror sogar Scheiße. Jon Snow sah sein eigenes dunkles Spiegelbild in den Eiswänden.
In einer Ecke der Zelle war ein Haufen Felle fast mannshoch aufgestapelt. »Karstark«, sagte Jon Snow. »Wacht auf.«
Die Felle bewegten sich. Manche waren aneinandergefroren, und der Reif darauf glitzerte. Ein Arm kam hervor und dann ein Gesicht – braunes Haar, wirr und verfilzt und mit grauen Strähnen, zwei glühende Augen, eine Nase, ein Mund, ein Bart. Eine Eiskruste hatte sich auf dem Schnurrbart gebildet, darüber war Rotz zu Klumpen gefroren. »Snow.« Der Atem dampfte in der Luft und bildete Nebel vor dem Eis hinter seinem Kopf. »Ihr habt kein Recht, mich hier festzuhalten. Das Gastrecht …«
»Ihr seid nicht mein Gast. Ihr seid ohne meine Erlaubnis zur Mauer gekommen, noch dazu bewaffnet, und Ihr wolltet Eure Nichte gegen ihren Willen verschleppen. Lady Alys hat Salz und Brot erhalten. Sie ist mein Gast. Ihr seid ein Gefangener.« Jon ließ das einen Moment lang wirken, ehe er hinzufügte: »Eure Nichte ist verheiratet.«
Cregan Karstark bleckte die Zähne. »Alys war mir versprochen.« Obwohl er die fünfzig bereits überschritten hatte, war er als kräftiger Mann in die Zelle gegangen. Die Kälte hatte ihn seiner Kräfte beraubt, jetzt war er steif und schwach. »Mein Hoher Vater …«
»Euer Vater ist Kastellan, kein Lord. Und ein Kastellan hat nicht das Recht, Eheschließungen zu vereinbaren.«
»Mein Vater, Arnolf, ist Lord von Karhold.«
»In allen Gesetzen, die ich kenne, kommt ein Sohn vor einem Onkel.«
Cregan stemmte sich hoch und trat die Felle weg, die an seinen Knöcheln klebten. »Harrion ist tot.«
Oder wird bald tot sein. » Auch eine Tochter kommt vor einem Onkel. Wenn ihr Bruder stirbt, gehört Karhold Lady Alys. Und sie hat ihre Hand Sigorn, dem Magnar von Thenn, zur Ehe gereicht.«
»Einem Wildling. Einem dreckigen, mordenden Wildling.« Cregan ballte die Hände zur Faust. Seine Handschuhe waren aus Leder und passend zu dem Mantel, der steif und verfilzt von seinen breiten Schultern hing, mit Fell gesäumt. Auf dem Wappenrock aus schwarzer Wolle prangte die weiße Sonne seines Hauses. »Ich sehe wohl, was Ihr seid, Snow. Ein halber Wolf und ein halber Wildling, der Bastard von einem Verräter und einer Hure. Nur so jemand kann eine hochgeborene Jungfrau ins Bett eines stinkenden Wilden legen. Habt Ihr sie vorher noch selbst genossen?« Er lachte. »Wenn Ihr vorhabt, mich zu töten, dann macht nur so weiter, und Ihr seid verdammt als Sippenmörder. Stark und Karstark sind vom gleichen
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