10 - Operation Rainbow
allemal einen Riegel vorzuschieben. Und das wäre ihm weit lieber gewesen, als seine Truppen mit geladener Waffe in einen Kampf mit Ungewissem Ausgang zu schicken.
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Popov packte seine Koffer. Darin war er inzwischen sehr geübt. Er hatte gelernt, seine Hemden so zu stapeln, daß er sie ohne Knitterfalten wieder herausnehmen konnte - als KGB - Offizier war ihm das nie gelungen. Allerdings waren die Hemden auch teurer als damals, weshalb er sie pfleglich behandelte. Die Koffer waren das einzige, was noch an seine frühere Tätigkeit erinnerte, denn sie verfügten über allerlei Geheimtaschen und Seitenfächer, in denen er »alternative« Reisedokumente aufbewahrte. Diese führte er mittlerweile ständig mit sich. Falls es Schwierigkeiten geben sollte, wollte er sich rechtzeitig aus dem Staub machen, ohne Spuren zu hinterlassen. Und seine drei ungenutzten Identitäten mußten dafür genügen. Im allerschlimmsten Fall konnte er noch immer sein Berner Konto auflösen und nach Rußland zurückkehren, obwohl er für die Zukunft andere Pläne hatte. Hoffentlich vernebelte seine Geldgier nicht seinen Verstand. Fünf Millionen Dollar. Gelänge es ihm, sie für sich beiseitezubringen, hätte er die nötigen Rücklagen, um für den Rest des Lebens bequem auszukommen, an praktisch jedem Ort seiner Wahl, besonders, wenn er sie klug investierte. Doch wie sollte er die IRA um ihren Lohn betrügen, der den Leuten zustand? Na, das würde sich schon noch finden. Er schloß die Augen und dachte über seine Geldgier nach. Beeinträchtigte sie tatsächlich sein taktisches Geschick, sein rationales Urteil? Es war nicht leicht, die eigenen Motive objektiv einzuschätzen. Und es war umso schwerer, wenn man ein freier Mann war und keiner aus dem Heer der Agenten im Komitee für Staatssicherheit, der jeden einzelnen Dollar, jedes Pfund und jeden Rubel seiner Spesen am Dserschinskiplatz 2 abrechnen mußte, vor den humorlosesten Leuten in einer ausgesprochen humorlosen Behörde.
Seine Gedanken beunruhigten ihn. Er mußte tapfer nach vorn blicken, als langjähriger Profi umsichtig jeden einzelnen Schritt absichern, sonst fingen ihn feindliche Geheimdienste ab, oder gar die Leute, mit denen er zusammentreffen sollte. PIRA, der provisorische Flügel der Irischen Republikanischen Armee, war als Terrororganisation so skrupellos wie jede andere in der Welt. Ihre Mitglieder konnten fröhliche Kumpels sein, wenn man mit ihnen trank - und sie waren nicht weniger trinkfest als die Russen - aber ihre Feinde innerhalb und außerhalb der Organisation töteten sie erbarmungslos. Doch auch sie konnten einem Irrtum aufsitzen. Darin waren sie berechenbar, und das war gut für Popov. Er wußte, wie man mit ihnen umgeht. In der Vergangenheit hatte er mehrmals Gelegenheit gehabt, es zu lernen, sowohl in Irland als auch im Bekaa-Tal. Sie würden ihm schon nicht anmerken, wie gern er das für sie bestimmte Geld selbst einsackte, oder?
Als alles fertig gepackt war, schleppte Popov seine Koffer zum Aufzug und brachte sie nach unten, wo der Portier des Apartmenthauses ein Taxi nach La Guardia für ihn besorgte. Er würde zuerst nach Boston fliegen, und von dort mit der Aer Lingus nach Dublin. Immerhin brachte ihm die Arbeit für Brightling einen riesigen Flugkilometerbonus ein, wenn auch auf zu vielen verschiedenen Linien, um sich wirklich auszuzahlen. Aber stets reiste er Erster Klasse, was beim KGB damals nicht drin gewesen war. Dmitrij Arkadejewitsch lächelte versonnen, als er auf der Rückbank des Taxis saß. Er brauchte doch nur ganz offen und ehrlich mit der PIRA zu verhandeln. Wenn sich die Chance ergab, ihnen das Geld abzuluchsen, würde er es tun. Aber eins wußte er schon jetzt - der Aktion würden sie auf der Stelle zustimmen. Eine solche Gelegenheit ergab sich so schnell nicht wieder, und am nötigen Elan fehlte es der PIRA nicht.
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Special Agent Patrick O'Connor überflog die Neuigkeiten, die ihm aus New York gefaxt worden waren. Zeit war das Hauptproblem bei der Fahnung nach Entführern. Die Ermittler konnten gar nicht schnell genug sein . Am Schlimmsten war es bei Kidnapping, wenn das Leben eines Menschen davon abhing, ob man rechtzeitig die nötigen Erkenntnisse gewann und richtig deutete, bevor der Entführer sein widerwärtiges Spiel beendete, die Geisel umbrachte und sich eine neue suchte. Eine neue? Durchaus möglich in diesem Fall, denn es hatte keinerlei Lösegeld-Forderungen gegeben. Wer immer Mary Bannister von der Straße
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