10 - Operation Rainbow
grinste Popov. »Ich habe keine A hnung, wo wir sind!«
»Man kann nicht vorsichtig genug sein, Josef.« Grady winkte ihn heran. »Bitte hier entlang, ja?«
Grady führte ihn in ein kleines Hinterzimmer der Lagerhalle, das mit einem Tisch und ein paar Stühlen möbliert war. Tee wurde gerade aufgebrüht. Die Iren waren gastfreundlich wie "eh und je; Dmitrij Arkadejewitsch zog den Mantel aus und warf ihn über einen Lehnsessel. Dann setzte er sich.
»Was können wir für Sie tun?« fragte Grady. Er näherte sich den Fünfzig, doch seine Augen strahlten noch jugendlich, wenn sein intensiver Blick auch nüchtern und leidenschaftslos wirkte.
»Bevor wir dazu kommen, wie steht's bei euch, Sean?«
»Könnte besser sein«, gab Grady zu. »Einige unserer Ex-Genossen in Ulster haben sich freiwillig der britischen Kro ne unterworfen. Leider teilen viele ihre Ansichten, aber wir arbeiten daran, die übrigen von einer realistischeren Sicht zu überzeugen.«
»Danke«, nickte Popov dem Unbekannten zu, der ihm eine Tasse Tee reichte. Er nahm einen Schluck, bevor er weitersprach. »Sie wissen, daß ich mich immer für Ihre Ziele stark gemacht habe, Sean. Schon damals im Libanon, als wir uns kennengelernt haben. Daß ihr noch fest zu eurer Überzeugung steht, wundert mich nicht. Schade nur, daß so viele von euch klein beigeben.«
»Der Krieg dauert schon lange, Josef, und ich fürchte, nicht alle können mit demselben Eifer kämpfen wie damals. Bedauerlich, aber nicht zu ändern!« Seine Stimme war kühl und emotionslos, die Miene eher nichtssagend. Er hätte einen guten Geheimagenten abgeben können, dachte der Russe, schon weil er kein Gefühl preisgab, nicht einmal Befriedigung über eine geglückte Aktion. Als sie sich das letztemal getroffen hatten, war er noch ein wenig leidenschaftlicher gewesen, da hatte er zwei britische SAS-Kommandos gefoltert und getötet, die kurzzeitig nicht aufgepaßt hatten. Sean Grady hatte zweimal das schwierigste Ziel erreicht - allerdings auf Kosten eines blutigen Rachefeldzugs der britischen Eliteeinheit gegen Gradys eigene PIRA-Zelle. Der SAS hatte nicht weniger als acht seiner engsten Vertrauten auf dem Gewissen. Vor sieben Jahren hatte er Grady selbst knapp verfehlt, weil sein Wagen schlappmachte, als er sich auf dem Weg zu einem konspirativen Treffen befand - den der SAS auffliegen ließ, wobei drei führende PIRA-Offiziere umkamen. Der Sicherheitsdienst hatte gewiß schon Hunderttausende ausgegeben, um Grady ausfindig zu machen und bei einer Verhaftungsaktion zu erschießen. Wie alle Geheimaktionen konnte auch dieses Spiel für die Teilnehmer tödlich werden - besonders für die Revolutionäre. Und jetzt ließ ihn seine eigene Führung im Stich, jedenfalls nach Gradys Meinung. Dieser Mann würde nie Frieden mit den Engländern schließen. Dafür war er seinem Weltbild allzu fest verhaftet, auch wenn es längst verjährt und fragwürdig war. Josef Wissarionowitsch Stalin hätte ein ähnliches Gesicht aufgesetzt, den gleichen unnachgiebigen Eifer an den Tag gelegt und die gleiche Kompromißlosigkeit in strategischen Fragen.
»Es gibt ein neues Anti-Terror-Kommando, das in England operiert«, berichtete Dmitrij.
»Ach ja?« Grady wußte nichts davon und reagierte überrascht.
»Es nennt sich Rainbow, wurde von Briten und Amerikanern ins Leben gerufen. Sie waren es, die zuletzt im Worldpark, in Wien und Bern eingegriffen haben. In eurer Angelegenheit sind sie noch nicht aktiv geworden, aber das wird wohl über kurz oder lang geschehen.«
»Was wissen Sie von dieser Einheit?«
»Eine ganze Menge.« Popov übergab ihm ein getipptes Manuskript, das Grady studierte.
»Hereford«, murmelte Grady. »Wir haben schon Kundschafter dort gehabt. Aber diesen Stützpunkt anzugreifen dürfte nicht leicht sein.«
»Ich weiß, Sean. Aber es gibt Schwachstellen anderswo, und bei sorgfältiger Planung könnten wir der Operation Rainbow einen kräftigen Dämpfer versetzen. Frau und Tochter des Kommandanten, eines Amerikaners namens John Clark, arbeiten im nahegelegenen Gemeindekrankenhaus. Sie wären der Köder für die Aktion...«
»Köder?« hakte Grady nach.
»Genau, Sean.« Dann begann Popov, den Aktionsplan zu schildern. Grady gab sich erwartungsgemäß unbeeindruckt, aber zwei seiner Leute begannen unruhig zu werden und Blicke zu wechseln, bis ihr Anführer zum Schluß das Wort ergriff.
»Sie verlangen, daß wir ein großes Wagnis eingehen, Oberst Seroff.«
Dmitrij nickte. »Ich weiß.
Weitere Kostenlose Bücher