10 - Operation Rainbow
weiteren Blick und erkannte Dings Frau. Sie stand jetzt und blickte hinüber zu ihren Bewachern. Ihr weißer Arztkittel bauschte sich über dem gewölbten Leib. Er und Chavez kannten sich jetzt fast zehn Jahre. Ihr durfte nichts zustoßen. Er drückte sich um die Ecke und versuchte, ihr ein Zeichen zu geben.
Dr. Patsy Clark Chavez nahm die Bewegung aus den Augenwinkeln wahr und drehte sich um. Hinter ihr stand ein Soldat in Schwarz, der ihr zuwinkte und sie um die Ecke locken wollte. Ihr schien das eine gute Idee zu sein. Langsam und mit versteinerter Miene wich sie seitwärts nach rechts.
»Du da, stehenbleiben!« herrschte Jimmy Carr sie an. Dann kam er auf sie zu, ohne zu bemerken, daß von links Sergeant George Tomlinsons Kopf und Gewehrlauf um die Ecke lugten. Vega winkte noch immer wie verrückt, und Patsy setzte ihren Weg fort. Carr lief los, hob das Gewehr - und kaum war er in seinem Gesichtsfeld, als Tomlinson ihn schon aufs Korn nahm. Er sah, wie der Kerl auf Dings Frau zielte, drückte den Abzug weich durch und feuerte einen Drei-Kugel-Schuß ab.
Die Stille danach war vielleicht schlimmer als der lauteste Lärm. Patsy fuhr herum und sah gerade noch den Kopf des Terroristen bersten. Sein Körper fiel im Lauf vornüber, und das Klappern des Gewehrs, das den leblosen Händen entglitt und auf den Fliesen landete, dröhnte geradezu in den Ohren.
»Hier herüber!« brüllte Vega. Sie duckte sich und tat, wie ihr geheißen, indem sie in die rechte Ecke des Korridors rannte.
Julio packte sie beim Arm und wirbelte sie herum, so daß sie stolperte und auf dem Hintern über den Fliesenboden rutschte. Sergeant Franklin hob sie auf und rannte mit ihr den Flur entlang, wobei er sie wie ein großes Spielzeug trug. Im Eingangsbereich des Krankenhauses lief ihm der Wachbeamte des Krankenhauses über den Weg, ihm vertraute er sie an und eilte zurück.
»Franklin an Kommando. Dr. Chavez ist in Sicherheit. Hält sich in der Halle auf. Schickt ein paar Leute her, aber schnell! Schafft die verdammten Zivilisten hier raus, kapiert?«
»Price an Team. Wo seid ihr alle? Wo sind die Subjekte?!«
»Price, hier Vega. Wir sind vier Tätern auf den Fersen. Den fünften hat George gerade abgeknipst. Sie halten sich beim Personal in der Ambulanz auf. Mrs. Clark könnte noch drin sein. Wir hören Lärm, Patienten sind auch dabei. Fluchtweg ist abgeschnitten. Tomlinson und Franklin sind bei mir; Fred hat nur die Pistole. Unbekannte Menge Geiseln, doch soweit ich weiß, sind's noch vier Terroristen. Ende!«
***
»Ich muß sofort da runter«, erklärte Dr. Bellow. Er zitterte noch immer; vier Kollegen aus der Truppe waren dicht hinter ihm niedergeschossen worden. Alistair Stanley lag mit einer Kugel in der Brust am Boden, und mindestens ein Rainbow-Mitglied war tot, drei weitere verletzt, einer unter ihnen sehr schwer.
»Da geht's lang!« Price deutete auf die Vo rderfront des Krankenhausgebäudes. Ein Team-1-Mitglied löste sich aus der Gruppe und lief gleichfalls dorthin. Es war Geoff Bates, einer von Covingtons SAS-Schützen, bewaffnet und in voller Montur, doch er hatte heute noch keinen einzigen Schuß abgeben können. Er und Bellow mußten sich beeilen.
***
Irgendwie war Carr krepiert, ohne daß es einer bemerkt hatte. O'Neil drehte sich um und sah, wie dessen Blut in dickem Strahl über den Fliesenboden quoll. Alles wurde nur noch schlimmer. Da hatte er vier Bewaffnete bei sich und konnte nicht einmal um die Ecke sehen, wo mit Sicherheit ein größeres SAS-Kommando lauerte. Und nirgends ein Ausweg! Acht weitere Leute waren hier versammelt, die er als Geiseln nehmen konnte, doch das Risiko war ungeheuer groß. Gib auf, flüsterte ihm eine innere Stimme zu, doch sein Instinkt wehrte sich dagegen. Er hatte Waffen, der Feind stand vor ihm, sein Auftrag war, ihn zu töten. Und wenn er schon sterben mußte, dann würde er eben, verdammt noch mal, für die Sache Irlands sterben, der er sein Leben geweiht und für die er sich schon tausendmal zu sterben vorgenommen hatte! Jetzt war es soweit, der Tod war ganz nah, keine abstrakte Idee mehr, über die man nachts beim Einschlafen nachdachte oder bei einem Bierchen im Pub, wenn man mit Freunden über den Verlust anständiger Genossen sprach - das übliche Tapferkeits-Geprahle, wenn keine Tapferkeit vonnöten war. Letztlich lief alles darauf hinaus. Hier war die tödliche Gefahr, und jetzt konnte er beweisen, ob Tapferkeit nur ein hohles Wort für ihn war oder ein Gefühl
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