10 - Operation Rainbow
die Augen schauen. Jeder hier wußte, daß sie in der Falle saßen, obwohl es keiner laut aussprechen wollte.
»Wir verlangen, daß uns ein Bus bereitgestellt wird!«
»Wo wollen Sie denn jetzt noch hinfahren?« fragte der Doktor.
»Bringt uns den Scheißbus!« kreischte O'Neil.
»Okay. Ich kann mit den Leuten hier darüber reden«, bemerkte Bellow versöhnlich. »Aber man wird mich fragen, wohin Sie fahren wollen, damit die Straße geräumt wird.« Jetzt war alles nur noch eine Frage der Zeit. Tim - es wäre nützlich, zu wissen, ob er soviel Vertrauen aufbrachte, seinen richtigen Namen zu sagen, aber Bellow war sich einigermaßen sicher, daß er tatsächlich so hieß - Tim sprach nicht mehr vom Töten. Er hatte nicht mal richtig damit gedroht, noch keine Frist gesetzt und ihnen keine Leiche vor die Füße geworfen. Er war kein Killer, wenigstens kein kaltblütiger Mörder. Er hielt sich für einen Soldaten, und das unterschied ihn von einem Verbrecher. Bei einem Terroristen war das ein ganz wesentlicher Unterschied. Den Tod fürchtete er nicht, aber er hatte Angst davor, zu scheitern oder als Mörder von Unschuldigen in die Geschichte einzugehen. Soldaten zu töten war eins. Ganz normale Frauen und Kinder abzuknallen etwas ganz anderes. Es war das alte Lied des Terrorismus - der verletzlichste Teil einer Person ist das Selbstwertgefühl. Wer sich Sorgen macht, was andere von ihm denken - mit solchen Leuten konnte man arbeiten. Es war alles eine Zeitfrage. Diese Leute unterschieden sich wohltuend von echten Fanatikern - sie ließen sich nämlich beschwatzen. »Ach, Tim?«
»Ja?«
»Könnten Sie wohl etwas für mich tun?«
»Was denn?«
»Darf ich mir Gewißheit verschaffen, daß es den Geiseln gutgeht? Ich brauchte das, damit auch mein Chef zufrieden ist. Darf ich um die Ecke kommen und nachsehen?«
O'Neil zögerte.
»Seien Sie nicht so, Tim. Sie vergeben sich nichts dabei, und ich habe etwas zum Weitermelden, okay? Ich bin Arzt. Ich trage keine Waffe oder sowas. Von mir haben Sie nichts zu befürchten!« Zu sagen, daß sie nichts zu befürchten hätten, und somit zugleich zu suggerieren, daß sie sich unnötig fürchteten, war immer ein nützlicher Kniff. Die Pause, während der Tim zögerte, bestätigte ihm, daß sie sich wirklich fürchteten - und daß Tim vernünftig blieb. Das war für den Rainbow-Psychologen ein Lichtblick.
»Nein! Mach das nicht, Tim!« drängte Peter Barry. »Gib ihm bloß nicht nach.«
»Aber wie sollen wir je hier rauskommen und den Bus kriegen, wenn wir gar nicht kooperieren?« O' Neil sah sich nach den anderen um. Sam Barry nickte. Auch Dan McCorley stimmte zu.
»Einverstanden«, rief O'Neil. »Sie dürfen kurz herkommen.«
»Danke!« rief Bellow zurück. Er warf Vega einen Blick zu, dem ranghöchsten anwesenden Offizier.
»Passen Sie bloß auf sich auf, Doc!« wisperte der First Sergeant. Sich unbewaffnet in die Hand bewaffneter Halunken zu begeben hielt er für tollkühn. Dem Doc hätte er soviel Mumm gar nicht zugetraut.
»Aber klar doch«, versicherte ihm Paul Bellow. Er holte tief Luft und lief die paar Meter in den Flur hinein, dann um die Ecke, und verschwand aus dem Blickfeld der Rainbow-Kämpfer.
Bellow kam es immer sonderbar, ja fast lachhaft vor, wenn zwischen Sicherheit und Lebensgefahr nur eine Distanz von ein paar Schritten und ein Blick um die Ecke lagen. Trotzdem sah er der Begegnung mit echtem Interesse entgegen. Viel zu selten hatte er einen Kriminellen unter solchen Umständen kennengelernt. Daß sie bewaffnet waren und er nicht, war nur gut. Sie brauchten das angenehme Gefühl, die Lage im Griff zu haben, zum Ausgleich dafür, daß sie in Wahrheit trotz waffenstarrender Überlegenheit in einer Falle saßen, aus der es kein Entrinnen mehr gab.
»Sie sind ja verletzt!« bemerkte Bellow, als er Tim ins Gesicht sah.
»Nicht der Rede wert. Nur ein paar Kratzer.«
»Möchten Sie sich nicht behandeln lassen?«
»Lohnt nicht«, beharrte Tim O'Neil.
»Na schön. Sie müssen's ja wissen.« Bellow sah sich um und zählte vier Terroristen, alle mit den gleichen Gewehren bewaffnet - AKMS, wenn er sich recht entsann. Erst dann zählte er heimlich die Geiseln. Sandy Clark erkannte er wieder. Außer ihr waren es noch sieben, dem Aussehen nach völlig eingeschüchtert, aber das war zu erwarten. »Also, was genau verlangen Sie?«
»Wir wollen einen Bus haben, und zwar so schnell wie möglich«, wiederholte O'Neil.
»Gut. Das kann ich für Sie herausholen.
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