10 - Operation Rainbow
Etwa fünfzig, mit kurzgetrimmtem Pfeffer-und-Salz-Schnurrbart. Ein Mann, der genau wußte, wo er war. Er langte nach der Rohrzange, die neben anderen Werkzeugen am Wandbrett hing, dann entledigte er sich seines Rucksacks und löste die Schnallen am oberen Verschluß. Es kam Chavez vor, als säße er im Kino, fern jeder Realität, als er zusah, wie der Mann den Motor abstellte - augenblicklich hörte das Stampfen auf, und es wurde still. Dann drehte er das Ventil zu und hob die Rohrzange, um...
»Schön hängen lassen, mein Freund!« empfahl Chavez, der von hinten heranglitt.
»Wer sind Sie denn?« fragte der Mann überrascht. Mit einem Mal war ihm das schlechte Gewissen von der Stirn abzulesen. Er fühlte sich bei etwas ertappt, was verboten war. Er wußte es selbst, und andere wußten es auch, merkwürdigerweise.
»Ich könnte Sie dasselbe fragen, bloß weiß ich es schon. Sie sind Wilson Gearing. Was führt Sie denn her, Mr. Gearing?«
»Ich, äh - bin hier, weil ich den Chlorbehälter an der Klimaanlage austauschen muß«, stammelte Gearing, den es noch zusätzlich schockierte, daß ihn dieser Latino beim Namen genannt hatte. Wie konnte das sein? Gehörte er etwa zum Projekt - und wenn nicht, woher wußte er davon? Es war, als hätte ihm jemand einen Schlag in die Magengrube versetzt, und jetzt krümmte er sich vor Schmerz.
»Ach ja? Wollen doch mal sehen, Mr. Gearing. Tim?« Chavez bedeutete Noonan, im Rucksack nachzuschauen. Sergeant Pierce blieb im Hintergrund, die Pistole unverwandt auf den Eindringling gerichtet.
»Sieht ganz aus wie der normale Behälter«, staunte Noonan, nachdem er den Rucksack geöffnet hatte. Falls das eine Fälschung sein sollte, war sie verdammt gut gelungen. Er war versucht, den Deckel abzuschrauben, ließ es aber vorsorglich bleiben. Neben der Motorpumpe nahm Chavez die Rohrzange zur Hand und schraubte den Originalbehälter ab.
»Sieht aber noch halbvoll aus, mein Lieber! Zum Austauschen besteht gar kein Anlaß, erst recht nicht mit einem Elixier namens Shiva. Tim, sei vorsichtig damit!«
»Worauf du dich verlassen kannst.« Noonan steckte den Behälter in Gearings Rucksack zurück und zurrte den Verschluß fest. »Das werden wir überprüfen lassen. Mr. Gearing, ich nehme Sie hiermit fest«, verkündete der FBI -Mann. »Sie haben das Recht, die Aussage zu verweigern. Sie haben das Recht, während des Verhörs einen Anwalt Ihrer Wahl heranzuziehen. Wenn Sie sich keinen Anwalt leisten können, besorgen wir Ihnen einen. Alles, was Sie von jetzt an aussagen, kann vor Gericht gegen Sie verwendet werden. Haben Sie diese Rechtsbelehrung verstanden, Sir?«
Gearing zitterte jetzt am ganzen Leib, drehte sich zur Tür um und überlegte fieberhaft, ob er...
... nein, es war zu spät. Genau in diesem Moment traten Tomlinson und Johnston ein. »Auf frischer Tat ertappt?« fragte Homer.
»Klar.« Ding zog sein Handy aus der Tasche und wählte die Auslands-Vorwahl der USA und Johns Nummer. Wieder mußte das Verschlüsselungssystem erst synchronisieren.
»Wir haben ihn«, gab Chavez an Rainbow Six durch. »Das Shivazeugs konnten wir sicherstellen. Wie zum Teufel kommen wir jetzt nach Hause?«
»In Alice Springs steht eine C-17 der US-Luftwaffe bereit, wenn ihr's bis dorthin schafft.«
»Einverstanden. Ich versuche, im allgemeinen Tohuwabohu noch einen Flug dorthin zu kriegen. Bis später, John.« Chavez drückte die Stopptaste und wandte sich dem Gefangenen zu. »Sie kommen jetzt mit uns, mein Lieber. Wenn Sie irgendwelche Dummheiten machen, wird Ihnen Sergeant Pierce hier eine Kugel durch den Kopf jagen. Stimmt's, Mike?«
»Auf jeden Fall, Sir!« erwiderte Pierce mit Grabesstimme.
Noonan hatte inzwischen das Ventil wieder aufgedreht und die Motorpumpe eingeschaltet. Erneut ertönte das Wummern, während sie die Tür hinter sich verriegelten und das Stadiongelände verließen. Am Taxistand stellte sich heraus, daß sie zwei Taxis benötigten, mit denen sie sich zum Flughafen bringen ließen. Anderthalb Stunden mußten sie warten, bis eine 737 den entlegenen Wüstenflugplatz ansteuerte, zwei weitere dauerte der Flug.
***
Alice Springs liegt ziemlich genau in der Mitte des australischen Kontinents, unweit der MacDonnell-Gebirgskette - kein Ort, wo man hochentwickelte Technik vermuten würde. Doch genau dort stehen die riesigen Antennenschüsseln, mit denen die Signale der amerikanischen Aufklärungs- und Kommunikationssatelliten für das US-Militär empfangen, gespeichert
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