10 - Operation Rainbow
unterschied er sich nicht groß von den saisonüblichen Gewohnheiten der Einwohner, außerdem half es ihm, mit der Hitze fertigzuwerden. Auch mit dem Rucksack und seiner weichen Schirmmütze war er zufrieden. Die Tribünen waren schon voller Fans, die frühzeitig zur Abschlußfeier in die Arena strömten, viele von ihnen blieben absichtlich im Sprühnebel stehen und genossen diese erste Erfrischung nach der brüllenden Hitze des Mittags. Die hiesigen Wetterfrösche in Rundfunk und Fernsehen hatten das Für und Wider des El-Nino-Phänomens, das angeblich schuld war an der globalen Erwärmung und daher auch an der unerbittlichen Hitze im Land, bis zum Abwinken diskutiert, Gearing fand das amüsant. Wollten sie sich bei den angereisten Touristen entschuldigen? Für ein Naturphänomen? Wie lächerlich. Mit diesem Gedanken näherte er sich seinem Ziel. Ohne es zu wissen, kam er dicht an Homer Johnston vorbei, der seelenruhig seine Cola süffelte.
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»Kann der sein Teufelszeug vielleicht auch anderswo hinkippen?« sorgte sich Chavez mit einem Mal im Dunkeln.
»Nein«, erwiderte Noonan, der rechts von ihm stand. »Vorhin habe ich mir den Grundriß nochmal angeschaut. Die Leitungen sind einbetoniert, an die kommt man nicht ohne weiteres ran. Das gesamte Nebelkühlsystem wird aus dieser einen Kammer gespeist. Wenn daran herumgepfuscht wird, muß es hier geschehen.«
»Wenn herumgepfuscht wird«, wiederholte Chavez in der schwachen Hoffnung, daß sich alles als falscher Alarm herausstellen würde. Wenn niemand hier auftauchen sollte, dann wollte er Oberstleutnant Wilkerson aufsuchen und nach den Zimmernummern dieser Global-Security-Typen fragen. Diesen Gearing mußte er sich auf jeden Fall gründlich vorknöpfen.
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Vor der blauen Tür blieb Gearing stehen und blickte sich nach Ordnungshütern um. Die Patrouille der Aussie-SAS erkannte man auf Anhieb, wenn man wußte, welche Zivilkleidung sie trugen. Doch obwohl er sogar zwei uniformierte Beamte der Sydney-Polizei entdeckt hatte, war militärisches Aufsichtspersonal nirgends zu sehen. Gearing wartete noch eine ganze Weile in sicherer Entfernung von der Tür. Das Lampenfieber wollte einfach nicht nachlassen. Er war im Begriff, etwas zu tun, was nie wieder gutzumachen war. Zum tausendsten und abertausendsten Mal prüfte er sein Gewissen, ob er nicht in letzter Sekunde davor zurückscheuen würde. All diese Menschen ringsum waren Geschöpfe wie er, hegten anscheinend die gleichen Hoffnungen und Sehnsüchte und Wünsche - aber nein, was sie im Kopf hatten, war etwas anderes, oder? Sie begriffen nicht, wußten nicht das Wesentliche vom Unwesentlichen zu unterscheiden. Sie erkannten die Natur nicht als das, was sie war - und im Ergebnis zielte ihr Lebensstil darauf ab, sie zu zerstören. Ihre Autos verpesteten die Luft mit Kohlenmonoxyd, die Chemikalien ihrer Putz- und Schönheitspflegemittel wanderten ins Grund wasser, ihre Pestizide töteten Vögel oder hinderten sie an der Vermehrung, ihre Spraydosen für Haarfestiger und anderen Schnickschnack zerstörten die Ozonschicht. Sie waren drauf und dran, die Natur zu ermorden mit ihren Gewohnheiten. Und sie nahmen es auf die leichte Schulter! Die Konsequenzen ihres Tuns waren ihnen nie bewußt geworden, und deshalb... Nein, sie hatten kein Recht, zu leben. Es war seine Pflicht, die Natur zu retten. Er wollte dieses Krebsgeschwür von der Oberfläche des Planeten tilgen, ihn heilen und pflegen, und deshalb mußte er jetzt so handeln. Mit diesem Entschluß setzte Wil Gearing seinen Weg zur Pumpenka mmer fort, kramte in der Hosentasche nach dem Schlüssel und steckte ihn ins Schloß.
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»Kommandant, hier Johnston - ihr kriegt jetzt Gesellschaft! Weißer in Khaki-Shorts, rotes Polohemd, Rucksack«, flüsterte Homer in ihre Kopfhörer. Hinter ihm hatte sich auch Sergeant Tomlinson aus der Menge gelöst.
»Aufgepaßt«, flüsterte Chavez in seinem Versteck. Ein Schatten war im Lichtspalt unter der Tür erschienen, dann hörte er das Knirschen des Schlüssels im Schloß, ein weiterer Lichtstrahl fiel herein, diesmal vertikal, als sich die Tür langsam öffnete, dahinter wurde eine Silhouette erkennbar, eine menschliche Gestalt - und in diesem Augenblick wurde Chavez plötzlich klar, daß es kein falscher Alarm gewesen war. Würde ein Monster aus der Finsternis vor ihnen auftauchen, ein Wesen von einem anderen Planeten, oder... ...
... nur ein alter Mann, wie er feststellte, als die Deckenbeleuchtung aufflammte.
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