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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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dem Haus kommen. Es war schon so spät, und ich hatte solche Angst, daß Sie nicht mehr da sein könnten.“
    Ich lächelte beruhigend. „Wir hätten die ganze Nacht auf dich gewartet. Bist du sicher, daß dir niemand gefolgt ist?“
    Sie nickte. „Ja, Herr Feller. Aber ich hab Angst. Rosa hatte auch Angst. Sie sagte, daß heute nacht etwas geschehen würde, etwas Böses.“
    „Hab keine Angst“, beruhigte ich sie. „Wir werden euch helfen. Komm, wir müssen uns beeilen. Vielleicht hat Frau Abbot recht.“
    Der Weg war beschwerlich, um so mehr, als jeder ein Stück von Kurts Ausrüstung schleppen mußte. Einen richtigen Weg gab es nicht, wir kämpften uns durch Unterholz und stolperten über Wurzelwerk, weil wir die Taschenlampen nur sporadisch einzusetzen wagten. Das Mädchen führte uns jedoch trotz der Dunkelheit recht sicher.
    Während des Weges berichtete mir Schwaber, was er herausgefunden hatte. Nicht alles war mir neu.
    Die Erhängte, Anna Bergen, war bis vor vier Jahren mit Paul Fehrer verheiratet gewesen. Die Ehe wurde aus beiderseitigem Verschulden geschieden. Bald darauf heiratete sie Christian Bergen und zog mit ihm nach Gehrdorf. Sie hatte ein zweites Kind, einen Jungen, Gerhard, der kurz vor ihrem Selbstmord starb. Woran, war nicht herauszufinden gewesen. Alles deutete darauf hin, daß der Tod des Kindes die Frau zu ihrer Verzweiflungstat getrieben hatte.
    Das sah alles zu einfach aus. Und mysteriös blieb die Sache trotzdem. Warum erhängte sich ihr Mann drei Monate später, und nun auch Paul Fehrer?
    Hatten die Gehrdorfer die ganze Familie in den Tod getrieben?
    Ich fragte die einzig Überlebende, Julia Bergen, und war mir bewußt, wie schmerzlich diese Erinnerungen für sie sein mußten. Aber es war wichtig, daß ich mehr erfuhr. Ich wünschte, ich hätte diese Haushälterin zur Hand gehabt. Sie würde das meiste Licht in die Sache bringen können. Das wußten offenbar auch die Gehrdorfer.
    Julia erinnerte sich jedoch an ein paar interessante Dinge, auch wenn diese das Ganze nicht viel klarer machten – im Gegenteil. Sie wußte zum Beispiel, daß Onkel Paul (sie hatte ihn immer nur Onkel Paul genannt) und Onkel Christian sehr gute Freunde gewesen waren. Auch erinnerte sie sich sehr gut daran, daß ihre Mutter nicht nach Gehrdorf ziehen wollte, und daß es deshalb oft Streit gab.
    Es gab auch Streit wegen Julia. Christian Bergen wollte sie in einem Internat unterbringen. Das hätte bedeutet, daß sie aus Plangau fort mußte. Man wollte sie nicht haben in Gehrdorf. Obwohl es dort eine Schule gab, wurde sie nicht aufgenommen. Es hieß, sie sei zu alt (obwohl sie erst acht war!), und alle Eltern sandten ihre Kinder nach der ersten Klasse in Internatschulen nach auswärts. Das mußte auch stimmen, so seltsam es anmutete, denn Julia hatte in den ganzen zwei Jahren nur selten aus der Ferne Kinder in Gehrdorf gesehen. Aus dem Schulgebäude klang manchmal Singen. Aber das war alles. Sehr merkwürdig. Aber warum sollte die Kleine lügen? Außerdem war es mir ja auch aufgefallen. Warum versteckten sie ihre Kinder?
    Julia berichtete auch von dem Brüderchen, das sie bekommen hatte, und um das Onkel Christian so besorgt war. Das war die Zeit, da auch Onkel Paul in Gehrdorf auftauchte. Er benahm sich sehr freundlich, besonders Julia gegenüber, und er interessierte sich ebenfalls sehr für das Baby. Weil er es nie zuwege gebracht hatte, wie er sich ausdrückte. Der Dorfarzt Dr. Wolf kam sehr oft ins Haus, aber ihre Mutter mochte ihn nicht besonders. Sie hatte fast Angst vor ihm, obwohl er sehr freundlich tat. Auch Rose mochte ihn nicht. Und dann, erinnerte sich Julia, begann sich ihre Mutter vor ihrem Mann zu fürchten. Es hatte irgend etwas mit dem Baby zu tun. Es war fast ein Jahr alt. Onkel Paul kam ins Haus, um ihre Mutter vor Onkel Christian zu schützen. Aber das war sehr komisch, denn sie wußte auch noch, daß sie eines Nachts aufwachte und hörte, wie Onkel Paul und Onkel Christian zusammensaßen und flüsterten und lachten und sagten, daß sie nun bald am Ziel wären.
    Kurz darauf verschwand das Baby. Julia hatte noch deutlich im Gedächtnis, welche Aufregung das war. Es wurde alles abgesucht. Dann kam Mutter eines Nachts nach Hause, mit totbleichem Gesicht, und sagte kein Wort. Am Morgen fand man das Baby tot im Ort.
    Als Julia am nächsten Abend von der Schule in Plangau nach Hause kam, fand sie viele Menschen um das Haus versammelt. Alle hatten verschlossene Gesichter. Keiner hatte ein

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