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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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auffielen. Andererseits war nur sehr schwer zu erkennen, ob sich schon in der Stadt jemand an unsere Fersen geheftet hatte.
    Klara und ich hielten uns tief in den Rücksitzen verborgen. Kurt hatte den Rückspiegel so gedreht, daß wir die Straße hinter uns beobachten konnten. Wir bemerkten keine verdächtigen Fahrzeuge. Zwanzig Minuten später passierten wir die Abzweigung nach Gehrdorf. Auch hier schien nichts verdächtig.
    „Jetzt muß es bald kommen“, sagte ich zu Kurt. „Auf der linken Seite.“
    Er nickte zustimmend. Die Straße stieg an, nahm einen Hügel, einen zweiten und begann sich schließlich wieder nach unten zu winden.
    „Da vorn“, sagte Kurt. Er bremste ein wenig heftig. Einen Augenblick standen wir auf der Straßenmitte, um den Gegenverkehr abzuwarten, dann holperte der Wagen in den steinigen Karrenweg auf den Wald zu. Als wir zwischen den Bäumen verschwanden, atmete ich auf.
    „Halt an. Wir wollen uns das erst ansehen.“
    Er hielt, und wir stiegen aus. Von der Straße konnte uns niemand sehen. Wir vernahmen nur von der Straße her Geräusche.
    „Seid ihr sicher, daß es der richtige Ort ist?“ fragte Klara.
    „Sieht so aus“, meinte ich.
    Ernst nickte. „Ganz sicher. An der Einfahrt stand das Schild mit der Aufschrift ORCHING 8 km.“
    „Dann besteht kein Zweifel“, stellte ich fest.
    „Stellen wir den Wagen zwischen den Bäumen ab?“ fragte Kurt.
    „Noch nicht. Wir warten erst auf Schwaber und das Mädchen.“
     

     
    Schwaber kam kurz vor sieben mit einem Fahrrad, nicht von der Hauptstraße, sondern aus Orching. Er war froh, uns zu sehen.
    „Ich bin ihnen kurz nach dem Anruf entwischt. Das Redaktionsgebäude hat einen gemeinsamen Heizraum mit zwei weiteren Blocks.“
    Ich stellte ihn vor. Ich sah, daß er Klara fasziniert betrachtete, was sie mit einem höflichen Lächeln quittierte.
    „Brauchen wir den Wagen noch?“ fragte ich ihn.
    „Nein. Wir gehen quer über die Hügel. Julia Bergen kennt den Weg.“
    „Dann wenden wir den Wagen am besten“, schlug Kurt vor und rollte ihn zwischen sie Bäume.
    „Wenden?“ wiederholte ich. „Auf dem schmalen Weg? Wozu?“
    „Vielleicht haben wir es eilig, wenn wir hierher zurückkommen.“
    „Keine schlechte Idee“, meinte auch Schwaber.
    „Wenn wir es so eilig haben, nützt uns das auch nicht viel“, entgegnete ich. „Aber wenn’s euch Spaß macht.“
    Während sich Kurt an das Wendemanöver machte, warf ich einen nervösen Blick auf die Uhr. Es war bereits nach sieben.
    Als der Wagen verstaut war, begann ich mich zu fragen, ob der Kleinen etwas zugestoßen sein konnte. Vielleicht hielten sie sie fest.
    Unsere Geduld wurde auf eine harte Probe gestellt.
    „Glauben Sie“, fragte Kurt Schwaber, „ob die Kleine uns versetzt hat?“
    „Nicht aus eigenem Willen“, erklärte Schwaber. „Bestimmt nicht. Es ist ein langer Weg vom Dorf herauf. Wenn sie sie nur nicht festgehalten haben…“
    „Wie lange warten wir?“ unterbrach ihn Klara.
    „Die ganze Nacht, wenn es sein muß“, bestimmte ich. „Oder weiß jemand von euch den Weg?“
    Sie schüttelten die Köpfe.
    Es wurde acht. Die Dämmerung brach herein. Es wurde halb neun. Der Weg zur Hauptstraße war in der Dunkelheit kaum mehr zu sehen.
    Kurz nach halb neun vernahmen wir endlich Geräusche zwischen den Bäumen. Gleich darauf stand sie bleich und zitternd im Licht unserer Taschenlampen. Furcht war in ihrem Gesicht, und ihre Augen waren verweint. Instinktiv suchte sie bei Klara Schutz, die sie in die Arme nahm. Ich dachte, wie tapfer sie war, diesen weiten Weg allein durch den Wald und die Dunkelheit zu machen.
    Und welche Furcht sie wohl ausgestanden haben mußte – nicht nur heute. Sie trug ein dunkelgrünes Kleid, dunkle Strümpfe und eine dunkle Weste. Sie war sehr klug und sehr vorsichtig. Das hatte ihr wohl die Angst gemacht.
    Als sie erkannte, wie froh wir waren, daß sie hier war, vergaß sie ihre Furcht und ihre Müdigkeit für eine Weile.
    Sie erkannte mich sofort wieder, und seltsamerweise wandte sie sich auch sofort an mich, nicht an Schwaber. Vielleicht weil sie fühlte, daß ich den Dingen, die sie bewegten, mehr Bedeutung beimaß, daß ich ganz offensichtlich glaubte, daß sie ihre Mutter gesehen hatte, und daß ich einen Weg kannte, mit der Erscheinung zu reden.
    „Haben Sie den Schlüssel von Rosa?“ fragte sie schüchtern.
    „Ja, Julia. Wo ist Frau Abbot?“
    „Sie darf nicht aus dem Dorf. Und ich auch nicht mehr. Aber ich konnte unbemerkt aus

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