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100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder

Titel: 100 - Die gelbe Villa der Selbstmoerder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hugh Walker
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freundliches Wort für sie.
    Und dann trug man ihre tote Mutter aus dem Haus. Erst später erfuhr sie, daß sie sich erhängt hatte.
    An die Zeit danach erinnerte sie sich nur dunkel. Rosa blieb im Haus. Onkel Christian ebenfalls. Onkel Paul kam gelegentlich, um sie zu besuchen.
    Aber es geschahen Dinge, die sie nicht verstand. Onkel Christian und alle im Haus hatten Angst. Nur Julia, die tagsüber in der Schule war, begriff nicht, was geschah. Aber es wurde schlimmer und schlimmer, bis Onkel Christian eines Abends im Stiegenhaus hing.
    Dann wurde es besser – für eine Weile.
     

     
    „Wovor hatten sie Angst?“ drang ich in sie. „Vor den Leuten in Gehrdorf?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Nein. Die waren auch alle sehr aufgeregt. Ein paar Nächte kamen drei Männer ins Haus und blieben bis zum Morgen. Aber es geschah nichts, wenn sie da waren. Onkel Christian beschloß das Haus zu verlassen, doch bevor er es tun konnte…“ Sie brach ab.
    Bevor ich etwas erwidern konnte, fuhr sie fort: „Als er in der Treppe hing wie Mama, wollte der Doktor nicht kommen. Um keinen Preis wollte er das Haus betreten.“ Ihre Stimme zitterte. Sie war dem Weinen nahe.
    „Hast du ihn so gefunden?“ fragte ich behutsam.
    „Nein, Herr Feller. Rosa war’s.“
    „Hast du ihn sehr gern gehabt, den Onkel Christian?“
    „Ich glaube nicht. Ich weiß es nicht mehr genau. Er war der einzige, den ich hatte außer Rosa.“
    „Was war mit Onkel Paul?“
    „Der kam nicht mehr. Lange nicht.“
    „Dann hast du mit Frau Abbot allein zusammengewohnt?“
    „Ja.“
    „Und du weißt nicht, was den Männern solche Angst machte?“
    Sie zögerte. Schließlich sagte sie leise: „Es war Mama.“
    Mit Bedacht erwiderte ich: „Aber sie war doch tot.“
    „Ja. Sie war tot. Aber Onkel Christian hatte Angst vor ihr. Ich hörte manchmal wie er aufwachte und schrie: ‚Nein! Anna! Nicht! Helft mir doch!“
    „Aber du hast deine Mutter nie gesehen, ich meine, außer später bei Onkel Pauls Tod?“
    „Nein, damals hab ich sie nicht gesehen. Nur Rosa sagte immer, daß wir keine Angst zu haben brauchten, weil wir nicht allein wären. Sie mochte Onkel Christian nicht. Sie war froh, als er weg war. Sie wollte mit mir nach Plangau gehen. Sie wollte, daß ich ihre Tochter würde.“
    „Wolltest du das auch?“
    „Ja, ohne Rosa wäre ich längst weggelaufen.“
    „Aber ihr gingt nicht weg?“
    Sie schüttelte den Kopf. „Rosa durfte mich nur adoptieren, wenn wir in Gehrdorf blieben. Ich hatte Angst, daß sie mich allein lassen würde.“
    „Sie tat es nicht?“
    „Nein. Sie blieb bei mir. Ich merkte bald, daß sie auch Angst hatte.“
    „Auch vor deiner Mutter?“
    „Nein. Vor Gehrdorf. Vor den Leuten. Obwohl sie sehr freundlich zu uns waren.“
    „War trotz der ungewöhnlichen Selbstmorde nie Polizei bei euch?“
    „Nein. Nur die Männer aus dem Dorf. Einer, Herr Geliert, ist von der Polizei. Er trägt nie eine Uniform. Aber er kommt immer, wenn etwas passiert. Einmal kam ein Polizeiauto aus Plangau, aber nicht wegen uns. Sie kamen nur in Gellerts Haus und fuhren dann wieder.“
    Ich nickte. Die Gemeinde löste ihre Probleme selbst und verstand es, alles von außen abzuweisen. Wenn es etwas zu verbergen gab, dann mußte sie das auch. Und je mehr ich hörte, desto weniger gefiel mir alles.
    „Was war mit Onkel Paul? Wie kam er wieder ins Haus?“
    „Er kam eines Tages und sagte, daß er sich um mich kümmern wollte. Rosa war es nicht recht, aber sie sagte nicht nein. Er war sehr freundlich. Aber ich merkte, daß er auch Angst hatte. Er zeigte es nie. Aber manchmal sah er sich um, als ob er etwas hörte, das wir nicht hören konnten, und dann sah ich die Angst in seinen Augen. Dann kam dieser schreckliche Abend, an dem …“ Sie brach ab.
    An dem Paul Fehrer sich erhängt hatte, ergänzte ich in Gedanken. Offenbar hatten sowohl Christian Bergen, als auch Paul Fehrer etwas mit dem Tod des Kindes zu tun gehabt.
    Es sah aus, als hätte Anna Bergen das gewußt. Für mich gab es keinen Zweifel, daß ihr Haß die Männer in den Tod getrieben hatte.
    Haß war eines der stärksten Gefühle, das oft rächende Entitäten hinterließ, wenn der Tod den Körper hinwegraffte – Haßgeister. Sie waren die gefährlichsten, denn fast immer suchten sie ihre Rache um jeden Preis. Ich warf Klara, die unser Gespräch verfolgt hatte, einen bedeutungsvollen Blick zu.
    Wir mußten sehr vorsichtig sein.
    Julia unterbrach unsere Gedanken. „Da unten liegt

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