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100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten

Titel: 100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Margit Schoenberger , Joerg Zipprick
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damit »la beurre« wirklich gleichmäßig durchgewalkt wird. »Hören Sie mal aufmerksam zu«, fordert Bordier auf. Am Anfang hört man tatsächlich, wie sich die Walze durch die Butter pflügt, das kräftige Klopfen wandelt sich langsam in einen sanften Wellenschlag. »Da höre ich meine Butter singen, sie weint« sagt der Buttermeister. Auf Französisch heißt das »quand j’entends chanter ma beurre, elle pleurt« und klingt fast wie ein Chanson von Jacques Brel. Das »weinende« Geräusch kommt vom Salz. Mindestens zwei Stunden muss »la beurre« jetzt noch ruhen, damit sich Letzteres setzt. Denn ganz frisch gekostet, schmeckt Beurre Bordier heillos übersalzen. Überhaupt, das Salz: »Jeder Koch möchte einen anderen Salzgehalt. Das hat noch viel mit Tradition zu tun. In Paris salzt man mit 1,6 bis 2,8 Prozent, nur in Rouen in der Normandie mögen die Leute mit sieben Prozent gesalzene Butter.« Den Beweis erbringt Bordiers Kundenliste: »Ritz, Paris: 2,8 Prozent Salz, Guy Savoy, Paris: 1,6 Prozent, Restaurant Gill, Rouen 7 Prozent.«
    Die Malaxage, der aufwendige Knetvorgang, mischt nicht nur das Salz in die Butter: Sie wird cremiger, schmeckt voller, lässt sich leichter streichen.
    Zwei Sorten Spezialbutter hat Bordier außerdem im Angebot: eine extratrockene Variante für Patissiers mit 12,5 Prozent Feuchtigkeitsgehalt: »Nur damit gelingen die luftigsten Feuilletés!« Und eine leicht grünlich schimmernde Algenbutter mit dem Geschmack der reinen Meeresluft. Bordier macht sie mit feinsten Streifen von Trockenalgen, die erst durch den Kontakt mit der Butter wieder angefeuchtet werden. »Die kann man pur auf etwas Landbrot genießen, Seewolf oder Jakobsmuscheln darin anbraten oder einfach nur ein paar Kartoffeln darin schwenken.«
    Der letzte Arbeitsgang wird wieder vom Kunden bestimmt. Wer Bordier die besagten zehn Kilo abnimmt, bekommt sie in jeder gewünschten Form, ob rund, quadratisch oder als »Motte«, jenem zylindrischen Haufen, der früher am Markt auslag. Flinke Hände formen heute zunächst gleichmäßige Kegel, die dann wiederum mit einem Holzstempel platt gedrückt werden. Wer möchte, bekommt auch seine Initialen in die Butter gepresst.
    Dann aber ist es vorbei mit der Geduld: Sobald »la beurre Bordier« geformt ist, muss sie schleunigst zum Kunden. Auch mit dem Genuss sollte man nicht allzu lange warten: »So ist es eben mit der traditionellen Butter«, seufzt Bordier. »Natürlich ist sie drei Wochen problemlos haltbar. Aber schon nach sieben Tage verliert sie langsam ihren ursprünglichen Wohlgeschmack.« Damit ist sie für Supermärkte ungeeignet. Doch den Transport nach Deutschland übersteht sie allemal, wenn man sie an der Quelle kauft: »Beurre Bordier«, La Fromagée – Jean-Yves Bordier, 9, rue de l’Orme in 35400 Saint Malo, Frankreich.

Camembert
    Den wirklich guten Camembert habe ich erst sehr spät in meinem »Gut-essen-Leben« entdeckt. Und damit auch das Wissen, dass man Käse besser nicht in Billigheimer-Supermärkten kauft, sondern beim Käsespezialisten. Denn nur der fragt, wann man denn gedenkt, den Burschen mit dem Samthäutchen zu verspeisen. Nur der gute Käsehändler weiß den Reifegrad des Camembert so einzuschätzen, dass er dann auf den Tisch kommt, wenn er dabei ist, laufen zu lernen. Mit diesen Erfahrungen ausgestattet, ereilte mich ein großer Schreck, als die Herrschaften in der EU anfingen, mit dem Gleichmacherkamm durch unsere Speisekammern zu streichen und dabei auch den Rohmilch-Camembert ins Visier nahmen: Es hieß, er solle aus gesundheitlichen Gründen verboten werden. Irgendwann habe ich diese Dummheit wieder aus den Augen verloren und vermute – da es den guten Rohmilch-Camembert in dieser Benennung immer noch gibt –, dass Verbraucher-Protest vielleicht doch gefruchtet hat.
    Beim Anblick von Camembert geht es mir immer noch so wie ganz am Anfang des Kennenlernens – ich würde ihn am liebsten streicheln. Irgendwann, zu später Fernsehstunde vor einem schönen, alten Hollywoodfilm lagernd, habe ich die Seelenverwandte des Camembert entdeckt: die Birne. Die beiden zusammen ergeben nicht nur ein sensationelles Mundgefühl, sie befeuern auch gegenseitig ihren Eigengeschmack zu einem einzigartigen Dritten. Das war eine echte Entdeckung. Und die wiederhole ich gerne immer wieder – auch mit einer Camembertsorte, die mir bisher verborgen geblieben ist. Ich kann es kaum erwarten!
    »Hier, riechen Sie mal!« Philippe Olivier, ein Bonvivant mit rundlichem

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