100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Premium-Brotaufstriche. So gut wie Bordier ist vielleicht noch manche Butter von Pascal Beillevaire aus Machecoul. Die Burro Beppino Occelli aus Italien etwa wirbt mit einem Vergleichstest der renommierten Weinzeitschrift »Wine Spectator« auf dem Cover, Verzeihung, dem »verplombten« Butterpapier. Nur »dufteten« meine beiden Pakete recht penetrant nach Sauerrahm. Es handelte sich wohlgemerkt um frische Butter, die ihren Geruch nicht irgendwelchen Fehlaromen im Kühlschrank verdanken kann. Bordiers Butter hingegen riecht milchig und frisch. Sie kommt noch mit Holz in Kontakt, was in unserer hygienischen, industrialisierten Lebensmittelwelt eigentlich verpönt ist. Und sie ist wirklich kostspielig und damit für den Küchenalltag definitiv ungeeignet. Aber: Man kann sie pur essen, denn solche Butter braucht keine Unterlage. Einmal habe ich den Buttermeister selbst besucht: »Alles, was dringend ist, befindet sich gerade im Versand. Im Moment tun wir gerade das Unmögliche. Bitte benachrichtigen Sie uns 48 Stunden im Voraus, wenn Sie ein Wunder erwarten«, sagte ein Plakat hinter Jean-Yves Bordiers Schreibtisch im bretonischen Dorf Noyal-sur-Vilaine. Und das war eine Untertreibung: Unmögliches hatte Jean-Yves Bordier nämlich schon längst vollbracht. Er stellt Butter wie zu Zeiten seines Großvaters her, mit viel Handarbeit, viel Holz und einer individuellen Prise Salz für jeden Kunden. Trotz aller Brüsseler Gesetze, die seinem Berufsstand das Leben schwermachen, trotz günstiger Konkurrenz, die sich zuhauf in jedem Supermarkt stapelt. »Konkurrenz?« Der ruhige, stämmige Bordier zuckte mit den Schultern »Die anderen üben nicht denselben Beruf aus. In der Fabrik schließt man irgendwo den Milchschlauch an und 15 Minuten später kommen an der Ausfahrt die Pakete an. Wir brauchen drei Tage, um unsere Butter herzustellen. Das Holz, auf dem unsere Butter ruht, wurde während bestimmter Mondphasen geschlagen. Das hat nichts Metaphysisches an sich: Jeder Käsemeister in der französischen Region Franche-Comté weiß, dass zum falschen Zeitpunkt geschlagenes Holz zu glatte Bretter für anständigen Käse ergibt. Und wer bei uns mehr als zehn Kilo bestellt, kann Salzgehalt, Feuchtigkeit und Form seiner Butter sogar selbst bestimmen.« Mehr als zehn Kilo bestellen freilich nur Profis, viele davon sind Köche und Inhaber der besten Restaurants in Frankreich. Der geniale Bretone Olivier Roellinger, früher im »Maisons de Bricourt« in Cancale, gehörte zu Bordiers ersten Kunden. »1984 habe ich angefangen, verkaufte die ersten Pakete in meiner winzigen Käserei in einer Seitenstraße von Saint-Malo. Ein paar Monate später war Olivier bei mir Stammkunde. Lief das Geschäft mal schlecht, hat er auch moralische Unterstützung geleistet, mir stets versichert, dass ich auf dem richtigen Weg bin. Damals habe ich noch gelernt. Mein Großvater war Buttermacher. Doch all die kleinen Gesten, die aus guter Butter exzellente Butter machen, waren zwecks Zeitersparnis weggefallen. Die galt es wiederzufinden.«
Da ist zunächst mal die Milch: »Natürlich wirkt sich die Nahrung der Kuh auf den Geschmack der Milch aus. Wir arbeiten zu 90 Prozent mit Biomilch von Rindern aus natürlicher Haltung. Demnächst sollen es 100 Prozent werden.« Das aber sind keine Turbo-Kühe: »Sie geben etwas weniger als die Hälfte der Milch ihrer Artgenossen.«
Dann das eigentliche »Buttermachen«: Bei Bordier dreht sich die Milch zuerst 90 Minuten in der Baratte, einem horizontal gelagerten Metallfass. »Daraus werden dann Flocken in einer Art weißem Sud. Wenn wir den mit Eiswasser kühlen, ziehen sich die Flocken zusammen. Drei Tage ruht die Butter dann.« Schließlich die »Malaxage«, das Kneten. »Früher war Buttermachen eine ganze Abfolge von Kleinarbeit. In jedem Bereich gab es einen Experten. Nach dieser Logik bin ich ein Kneter.«
Bordiers Stolz ist seine Knetmaschine: Eine grobe Teakholz scheibe, die sich dreht, während über der Scheibe eine elekt risch betriebene Teakholzrolle die Butter durchwalkt – im sorgfältig gefliesten Labor wirkt sie wie ein Relikt aus vergangenen Zeiten, notdürftig mit Metall und Motor »aufgepeppt«. »Die Butter noch im Holz kneten zu dürfen – das war nicht einfach durchzusetzen. Wir sind da doppelt so sauber wie manche Kollegen.« Mit schwungvoller Handbewegung verteilt Jean-Yves einen 25 Kilo Klotz Butter auf dem Teakholzrad, schmeißt die Maschine an, salzt und knetet immer wieder per Hand nach,
Weitere Kostenlose Bücher