100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Port-de-Bouc in Südfrankreich hergestellt. Die Details gleichen dabei verblüffend verschiedenen Schilderungen aus dem 18. Jahrhundert. Von Juli bis September werden die Äschen in riesigen Netzen gefangen. Das Netz von Martigues, Calen genannt, ist 95 Meter lang und 40 Meter breit. Geht der Fisch ins Netz, werden die Weibchen auf dem Rücken in Kisten abgelegt. Das Stapeln des Fischs ist streng verboten, schließlich könnte es den späteren Bottarga beschädigen. Mit einem geübten Griff hinter die Kiemen erkennen die Fischer, welches Weibchen Eier trägt. Jetzt muss mit chirurgischer Präzision gearbeitet werden: Es gilt, den Rogen intakt, inklusive seiner dünnen »Schutzhülle« zu entfernen. In der Regel bleibt ein Stück Äschenfleisch am Schwanz erhalten: Es dient zuerst der Stabilität des fragilen »Rogenschatzes« und später zum Aufhängen bei der Trocknung. Mit Wasser werden die Rogentaschen abgewaschen und dann in Salz gepackt. Nach Größe geordnet werden die Fischeier fünf bis sechs Stunden zwischen zwei Holzplanken in Salz gelagert, wiederum gewaschen, nochmals gepresst. Es folgt eine weitere, tagelange Lagerung waagerecht auf Holz – ihre Oberflächen werden dadurch platt, die meisten Rogentaschen sind jetzt noch ca. 1,5 cm dick. Zum Schluss werden sie ein paar weitere Tage hängend getrocknet. Ihre Farbe ist jetzt gelb bis bernsteinfarben, geschützt wird der Rogen durch eine Schicht Wachs oder Paraffin. Wie guter Wein, sollte der Bottarga vor dem Verzehr ein wenig lagern.
Heute reicht der lokale Meeräschenbestand nicht mehr aus, um die Nachfrage zu decken. Europas Bottarga-Fabrikanten kaufen Fische in Florida, dem Senegal, Brasilien oder vor der Küste Mauretaniens nach. Und, ja, es gibt ein japanisches Äquivalent namens Karasumi.
Hier und da beschweren sich Fischfans über »gefälschten Bottarga« auf Thunfischbasis. Rogen vom Thun- oder Schwert fisch sind freilich separate Arten, die als Bottarga di pesce spada (Schwertfisch) und Bottarga di tonno angeboten werden. Für Letzteren sind auch die kalabrischen und die sizilianischen Fischer berühmt. Seriöse Händler zeichnen ihre Ware korrekt aus und machen keinen Hehl daraus, dass sie auch Rogentaschen z. B. vom Kabeljau, anderen Äschensorten oder Marlin verarbeiten. Aufgrund von Farbe und Form ist die Verwechslungsgefahr gering.
Wer in Bottarga beißt, der hat immer ein Stück Meer im Mund, mit würzigen, rauchigen Noten. Nur zu viel Salz sollte man nicht durchschmecken.
Butter
Als vier- oder fünfjähriges Mädchen saß ich als natürliche »Beschwernis« auf der Butterkiste meiner Großmutter und konnte verfolgen, wie mit jeder ihrer Umdrehungen der Schaufelkurbel im Inneren der Kiste aus dem anfänglichen Plätschern allmählich ein leises Poltern wurde – immer dann, wenn aus der Sahne Butter geworden war. Danach gab es ein Butterbrot, wie ich es später im Leben nie mehr gegessen habe. Oft auf noch ofenwarmem Brot mit fein geschnittenem Schnittlauch auf der nicht allzu sparsam aufgetragenen Butterschicht.
Zu dieser Zeit wurden sich die Ärzteschaft und die Pharmaindustrie der nachkriegsbedingten Wohlstandsbäuche als Umsatzbringer bewusst, die bisher erlaubten Cholesterinwerte wurden nach unten abgesenkt – Pflanzenmargarine wurde »hui« und Butter »pfui«. Ich konnte mich mit »Rama« und Konsorten nie anfreunden. Aber da das ewige Gesundheit versprach – und Kinder damals kein Mitspracherecht in Fragen der Ernährung hatten –, träumte ich den Butterbroten meiner auf dem Land lebenden Großmutter hinterher. Aber die Zeiten und die Fördermittel ändern sich: Als mein Freund Wolf Uecker vor 30 Jahren eines der ersten großen Kochbücher über die deutsche Küche schrieb, wurde ihm von einer Marketinggemeinschaft viel Geld geboten, wenn er in seinen Rezepten wieder der Verwendung von Butter statt Margarine den Vorzug gab.
Ich liebe den Geschmack von Butter (eine gute Soße m u s s einfach mit eiskalter Butter aufmontiert werden, dann kann man auch auf Sahne verzichten) – wenn es ihn denn noch gäbe. Meistens kommt sie heute im Supermarkt recht geschmacksneutral und blass daher. Deshalb liebe ich irische Butter. Weil sie schön gelb ist (oder sind da auch schon wieder Farbstoffe im Spiel?) und einen feinen Eigengeschmack hat. Die gesalzene Variante ist ein Traum.
Die beste Butter, die ich bislang genießen durfte, stammt von Jean-Yves Bordier aus einem Vorort der französischen Stadt Rennes. Sicher, es gibt andere
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