100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
einer Vergangenheit nicht einfach die Hände in den Schoß und lässt sein Lebenswerk platt walzen. Levin rettete viele Granatapfel-Arten, indem er sie an botanische Institute – darunter die israelische Ben Gurion Universität und die amerikanische University of California – versandte. Gut 90 von Levins Granatäpfeln gedeihen dort noch immer, im »Wolfskill Experimental Orchard«.
Fachleute schwärmen von den Aromen der teils recht großen Früchte mit Namen wie Parfyanka, Sirenevyi, Kunduzski und Sakerdze, die irgendwann auch unsere Tische bereichern könnten – dann wahrscheinlich mit eingängigen Namen, die sich die Marketingabteilung eines Früchtegrossisten ausgedacht hat.
Grouse (Moorschneehuhn)
Das Moorschneehuhn, das ich in meinem Buch der Vogelarten gesehen habe, sieht ein bisschen so aus wie der ausgestopfte Auerhahn, den mein Großvater besaß. Als Kind bewunderte ich den prachtvollen Vogel an der Wand und natürlich auch meinen Großvater, der ein großer Jäger war – wovon auch die beiden Hirschgeweihe zeugten, die links und rechts vom radschlagend präparierten Auerhahn platziert waren. Großmutter erzählte mir, dass das Auerhuhn dieselbe Lieblingsspeise hätte wie ich: Heidelbeeren. Echte natürlich, muss man heute wohl betonen, denn das weißfleischige, nachgezüchtete Beerenzeug, das inzwischen in den Supermärkten angeboten wird, verdient ja diesen Namen nicht. Es als schlechte Kopie zu bezeichnen wäre sogar noch zu viel der Ehre.
Vom Moorhuhn habe ich das erste Mal gehört, als das gleichnamige Computerspiel auftauchte. Übrigens schon zu einer Zeit, als ich noch immer nicht wusste, wie man diesen elektronischen Zauberkasten, ohne den wir heute alle nicht mehr sein könnten, bedient. Inzwischen ist das Moorhuhn-Spiel wahrscheinlich genauso out of time wie das Tamagotchi oder Rubik’s Cube, der bunte Drehwürfel. Dass das Moorhuhn wohlschmeckend ist, macht mich allerdings neugierig. Es dürfte dann wohl nicht so trocken und faserig sein, wie die Fasane, die ich als Kind gegessen und in Erinnerung habe? Wahrscheinlich waren die aber nur nicht richtig gespickt oder einfach zu lange in der Bratröhre. Mein Vater hat immer vor den Schrotkörnern im Fasanenbraten gewarnt, weil er sich einmal eine Plombe daran ausgebissen hat.
Das Moorschneehuhn ist noch echtes Wildgeflügel aus Schottland. Lagopus lagopus scoticus heißt es mit vollem Namen. Wenn am »Glorious Twelfth«, dem 12. August, die Jagdsaison beginnt, treffen sich in den Highlands die Jäger. Einem gewissen Lord Walsingham wird nachgesagt, er hätte am 30. August 1888 nicht weniger als 1070 Grouses erlegt. Englische Jäger erwähnen heute noch mit Ehrfurcht in der Stimme, dass er dafür lediglich 1550 Kartuschen benötigte und 40 davon für Signalschüsse, die also nicht Vögeln bestimmt waren, verbraucht hat. Das war weit schwieriger als beim »Moorhuhn« aus dem Computerspiel: Zum einen hat die Grouse keine Glupschaugen. Zum anderen ist ihr Gefieder braun gescheckt, sie tarnt sich also hervorragend. Und drittens ist sie nicht dumm: Die Grouse fliegt schnell und schafft es sogar, Jagdhunde im Tiefflug über Wildbäche abzuhängen. Nicht selten müssen die Jäger ihr von hinten »nachschießen«.
Grouses schmecken dermaßen wild, dass ihr Fleisch nach Ende der Jagdsaison ein wenig penetrant riecht. Zu Anfang der Saison hat sie aber noch einen delikaten Beigeschmack nach Unterholz, nach Heidekraut, Heidelbeeren und Wacholderbeeren der Highlands, die auf ihrem Speiseplan stehen. Und je mehr Wildkräuter die Grouse frisst, desto kräftiger wird ihr Fleisch. Das ergibt, zumindest während der ersten beiden Drittel der Saison, einen umwerfenden Geschmack, und so eine Grouse riecht außerdem wie eine Mischung aus Wald und Geflügel. Ich habe sie immer nur im Restaurant bestellt. Meist wurde sie gegrillt oder schmurgelte im Schmortopf. Serviert wird sie »saignant«, also noch blutrot im Innern. Dazu gab es Selleriepüree. Oder Steinpilze. Oder Toasts mit einer Creme aus der Leber der Grouse.
Mir schmeckt am besten die Brust, manchmal sind die Keulen nämlich ein wenig bitter. Das gilt besonders für den unteren Teil. Junges Geflügel – man erkennt es angeblich an einer weißen Feder am Flügel und einem hellroten Flecken im Augenwinkel – sind wesentlich zarter als alte Vögel und beim Esser deshalb beliebter.
Und noch etwas kann ich bestätigen: Die Angst um die Plomben ist beim Genuss von Grouses voll und ganz
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