100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
dass die Ausfuhr von Kobe-Rindfleisch verboten ist? Was – wenn es stimmt – wohl die Begehrlichkeit der Feinschmecker zusätzlich entsprechend steigert. Ein Fleischgenuss, für den man nach Japan reisen muss, das ist wahrer Luxus!
Mir hat an diesem Mythos immer gefallen, dass diese schwarzen Tiere angeblich täglich mehrere Stunden mit Reiswein massiert werden, so dass sie ihre vorgeschriebene Statur behalten und vor gesundem Muskelfleisch nur so strotzen. Irgendwie erinnert mich das an Sumo-Ringer. Obwohl die den Sake sicherlich eher innerlich anwenden. Aber was wissen wir hier schon darüber?
Eigentlich wissen wir ziemlich wenig, außer den zahlreichen Legenden. Schließlich gibt es bei uns kein Kobe-Rindfleich. Einmal sah ich es dennoch auf der Karte eines japanischen Restaurants in Düsseldorf, als Student vor über 20 Jahren. So eine Portion kostete gut 200 DM. Obszön viel Geld für ein Stück Fleisch, auch nach heutigen Maßstäben. Aber damals war es ein Vermögen. Natürlich habe ich den Wirt sofort gefragt, was es damit auf sich hat, und schon bekam ich sie serviert, die Geschichte von dem schwarzen Rind mit den schönen dunklen Augen, das täglich vom Bauern mit Sake massiert und mit Bier getränkt wird, während es klassische Musik genießt. Hätte ich ein weiteres Glas Sake mit dem Herrn getrunken, wären die Massierbauern vielleicht zu jungfräulichen Geishas mutiert, die einen Zarte-Hände-Wettbewerb gewonnen hätten, das ahnte ich damals schon.
Wie oft träumte ich in den folgenden Jahren dennoch davon, ein Kobe-Rind zu sein. Inzwischen bin ich skeptischer geworden: Rindermassagen mögen irgendwo als Touristenspektakel existieren. Aber Fett ins Fleisch massieren, das erscheint doch fragwürdig. Menschen, die schon einmal ein Kobe-Rind persönlich kennengelernt haben, berichteten mir glaubhaft, dass Massagen und Musik auch in Japan nicht die Regel sind. »Kobe« steht für Steaks und Filets von speziellen Rindern aus der Präfektur Hyogo. Selbst von denen dürfen nur die Besten der Besten diesen Namen tragen. Es ist wie ein besonders aussichtsloses Bewerbungsverfahren: Hunderttausenden Rindviechern stehen wenige Tausend Gewinner gegenüber.
Zu trinken bekommen die zukünftigen Sieger kein Bier, sondern Heu aus Oregon und Kanada zum Fressen. Sind sie erst mal 15 Monate alt, stehen Heu, Weizenkleie und Stroh sowie Mais auf dem Speiseplan. Etwa zweieinhalb Jahre dürfen die Tiere ihr berühmtes Fett anfuttern. Dann wiegen die Ochsen etwa 700–800 Kilo, die Färsen etwa 600 Kilo.
Doch woher stammt das berühmte Fett eigentlich? In Europa wurden den Rindern die weißen Schichten im Fleisch regelrecht weggezüchtet, der Verbraucher will Mageres. Die Wagyu-Rasse, die das Fleisch der Kobe-Rinder liefert, bringt da etwas mehr auf die Waage und wird deshalb eifersüchtig gehütet. Tatsächlich wacht die Präfektur sogar über zwölf Bullen, deren Samen die Jungrinder der nächsten Saison hervorbringt. Abstammung und Blutlinien werden penibel nachverfolgt. Außerdem kastriert man Wagyu-Bullen, damit sie leichter Fett ansetzen. Das hatte mir der Japan-Wirt in Düsseldorf nicht erzählt, im Nachhinein bin ich doch ganz froh, kein Rind zu sein.
In den Bereich der Legende gehören wohl auch Berichte, Wagyu sei eine uralte einheimische Rinderrasse. Schließlich gibt es in Japan nur zwei wirklich einheimische Rindviecher: Die wild lebenden Tiere von Mishima im Gebiet der Präfektur von Yamaguchi, sowie die ebenfalls wild lebenden Rinder der Insel Kuchinoshima im Südwesten der Kagoschima-Präfektur. Wissenschaftler vermuten, dass diese Tiere vor rund 2000 Jahren auf der Insel angesiedelt wurden. Glaubt man dem Buch »Beef in Japan« von Professor John W. Longworth, wurden einheimische Rinderrassen seit Mitte des 19. Jahrhunderts zur Verbesserung der Fleischproduktion immer wieder mit europäischen Artgenossen gekreuzt. Im Wagyu stecken also auch Simmental- und Holstein-Gene! Die vier verschiedenen kommerziell gehandelten Wagyu-Arten gelten für die Japaner jedoch inzwischen als »einheimisch«, sie sind nicht nur schwarz, sondern auch braun.
Zutreffend ist jedoch, dass man das echte Kobe-Rind nur in seinem Heimatland genießen kann. Denn exportiert wird es tatsächlich nicht: Die Inlandsnachfrage ist hoch, und die Schlachthöfe von Kobe und Umgebung haben keine Zulassung für Exporte in die EU. Wirklich verboten ist der Export von lebenden Rindviechern, Embryonen und Rindersamen.
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