100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
nennenswerte Bewegungsfreiheit zu haben. Artgerechte Tierhaltung sieht anders aus. Exkremente und Futterrückstände von Zehntausenden Tieren werden ungefiltert ins Meer gespült. Farmtiere brechen aus und paaren sich mit wilden Lachsen. Aber die Zuchtlachse, »optimiert« hinsichtlich Stresstoleranz und Wachstum, können in der freien Natur nicht überleben, auch Nachkommen aus der Paarung von wild lebenden und Zuchtlachsen gelten vielen Experten als weniger überlebensfähig. So wird nicht nur die genetische Vielfalt beeinträchtigt, die Zuchttiere tragen häufig Parasiten oder Krankheiten. Damit infizieren sie den Wildbestand. Und weil das so ist, werden Zuchttieren zuweilen Anti biotika ins Futter gekippt. Die schöne rote Farbe, die Wildlachse durch regelmäßigen Genuss kleiner Krebse und Garnelen erwerben, wird dem Zuchtfisch durch synthetisches Astaxanthin angefüttert. Kontrollbehörden unserer Nachbarländer suchen bei verdächtigen Importen von »Wildlachsen« zuerst nach synthetischem Astaxanthin, das nur im Farmfisch auftaucht. Diese Farbe scheint dem Verbraucher besonders wichtig zu sein, Züchter messen sie mit der »Roche Color Card« (SalmoFan). Je dunkler das Filet, desto wertvoller schätzt der Verbraucher den Fisch ein, desto mehr Geld ist er auszugeben bereit. Und der Geschmack? Alle Freunde schönen Lachsrots sollten sich lieber ein Bild in dieser Farbe zulegen, statt ihr Geld für synthetische Farbstoffe auszugeben.
Doch wie gesagt, namhafte Importeure schwören, dass es gute Lachsfarmen gibt. Einer hat mir sogar erzählt, dass im Unternehmen Faroe Farming in Vágur auf den Faröer Inseln die Lachse von Hand gefüttert werden, mit teurem Futter aus Fisch und Fischöl. Kameras würden überwachen, wann die Lachse das Futter stehen lassen, also satt sind. Nur, woher soll ich wissen, woher mein Zuchtlachs stammt? Ich hoffe, ich esse einmal einen richtig wohlschmeckenden. Bis dahin bleibt Zuchtlachs für mich das »Batteriehuhn des Atlantiks«.
Lamm
Auf den Hochgenuss von Lammfleisch sind die meisten Menschen in unseren Breitengraden erst durch die Hochgastronomie oder durch die Gastgeber in südlichen Urlaubsländern gekommen. In den heimischen Stadtküchen kam dieses wohlschmeckende Fleisch eher selten zum Einsatz. Aus der Literatur kannte man zunächst Hammelfleisch-Eintöpfe, um die nicht nur Karl May seine Helden in fernen Wüsten unterm Sternenhimmel im Rund versammelte. Und irgendwie ahnte man als Leser dieser exotischen Abenteuergeschichten, wahrscheinlich angeleitet von den Vorurteilen der Älteren, dass dieses Fleisch einen Beigeschmack haben könnte, der nicht mit unseren Geschmacks vorlieben harmoniert: Es »bockelt«. Ich weiß nicht, ob das stimmt, aber dass ein Elterntier nicht so zart und wohlschmeckend ist wie ein Junges, liegt eigentlich auf der Hand. Ganz abgesehen davon, dass man zartes Lammfleisch wohl niemals zu einem Eintopf herabwürdigen würde – was für eine kulinarische Todsünde!
Und dann lasen wir alle die berühmte Geschichte von Roald Dahl, »Lammkeule«, in der solch ein tiefgefrorenes Hinterbein zur Mordwaffe wurde, die mittels Verspeisung einfach verschwand. Da hätte man eigentlich schon einmal nachdenklicher werden können. Auch wenn die englische Küche nicht die allerberühmteste ist – der Lammkeule setzte dieser Autor damit ein literarisches Denkmal. Vielleicht haben die großen Köche um Witzigmann auch alle Roald Dahl gelesen, fühlten sich animiert und in ihrer Kreativität herausgefordert, haben sich also um das Lamm bemüht und es in den herrlichsten Varianten auf die Sternemenükarten gesetzt? Spätestens ab diesem Zeitpunkt fassten dann auch private Köche Mut. Heute hat man beim Stichwort Lammkeule einen wunderbaren Duft nach Knoblauch und Küchenkräutern in der Nase. Und wie man aus den Küchen so hört, ist Lamm durchaus willig, sich relativ unkompliziert zubereiten zu lassen. Das Problem ist nur: Wo bekommt man wirklich gutes Lammfleisch her?
Schwer zu sagen. Berühmt sind ja all die Salzwiesenlämmer, egal, ob sie nun an Nord- und Ostsee oder vor dem französischen Mont-Saint-Michel weiden. Eine Qualitätsgarantie ist der Name allein allerdings nicht, Geschichten wie »man schmecke im Lamm die Salzwiesen heraus« oder »Salzwiesenlamm muss man nicht salzen« gehören ins Legendenregal, gleich neben Nessie und das Bermuda-Dreieck. Wie bei allen Tieren wirkt sich das Futter stark auf den Geschmack aus, das allerdings ist wahr.
Beim Lamm
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