100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
ist aber auch das richtige Alter wichtig: Da gibt es zunächst das junge Milchlamm (agneau de lait). Idealerweise heißt es nicht nur so, sondern wurde auch mit Milch aufgezogen. Sein Fleisch ist blassrosa und sehr, sehr zart. Je nach Rasse und Herkunft gibt es hier sogar mehrere Kategorien: Nur mit Muttermilch aufgezogene Lämmer, maximal 45 Tage alt, mit einem Gewicht von fünf bis elf Kilo – das ist die Definition des Milchlamms aus den Pyrenäen mit Gütesiegel. Erhältlich sind jedoch auch vorwiegend mit Muttermilch ernährte Lämmer, maximal 90 Tage alt, leichter als 13 Kilo.
Älter, schwerer und stärker im Geschmack ist das Weidemastlamm (Broutard), das bereits mit Grünfutter ernährt wurde. Solch ein Lamm muss jünger als ein Jahr sein. Denn je älter es wird, umso intensiver wird der von den meisten Menschen nicht so geschätzte Schaf- oder Hammelgeruch.
Am Lamm schmeckt einfach alles: Filets, Koteletts, Brust, Schulter, Rücken, Haxen und die saftigen Keulen. Aber – und darauf bestehe ich ganz besonders – auch die Innereien wie Zunge, Leber oder Bries.
Gutes Lammfleisch ist blassrosa oder fast weiß, mit schneeweißer, fester Fettschicht. Letztere darf beim Anfassen nicht unter den Fingern rollen. Ein alteingesessener Metzger hat mir folgenden Trick verraten, um die »Duftnote« zu bestimmen: Die Hände anwärmen und über die Fettschicht gleiten lassen. Ist das Lamm zu alt, hat man anschließend typischen Hammelgeruch an den Fingern. Das Alter erkennt man auch an der Fleischfarbe: Sie wird mit der Zeit stumpf rot, fast violett oder gar schwarz. Lamm kauft man am besten beim Metzger, denn die schmalen, vorverpackten Stücke im Supermarkt schmecken schon nach kurzer Liegezeit deutlich weniger saftig.
Neben dem erwähnten Pyrenäenlamm haben mir das Lamm aus Quercy und das spanische Lamm aus Aragon besonders gefallen. Dort in Spanien haben die Züchter 800 Jahre Erfahrung in der Lammzucht. Noch heute werden einheimische Rassen wie Aragonesa, Ojinegra de Teruel und Roya Bilbilis hier aufgezogen, zunächst mit Muttermilch, dann werden sie mit Cerealien und Heu ernährt und im Alter von zwischen 70 und 90 Tagen geschlachtet. Zusammen mit drei spanischen Freunden habe ich einmal ein ganzes gegrilltes Lamm in einem Restaurant nahe Zaragoza verspeist.
Die Welt kennt eine unglaubliche Vielzahl an Lammgerichten, von Curries über Couscous, Kebab und Tajine bis zum Lamm in Minzsauce. Was mich aber noch stärker als die Schlusspointe in der Geschichte von Roald Dahl beeindruckt (die verrate ich hier ausdrücklich nicht!), ist der Einfallsreichtum unserer Vorfahren: Ein klassisches Rezept (à la Condé) kündet von dicken Scheiben Lammfilet, gespickt mit Trüffeln, Cornichons und Anchovis, anschließend mariniert, gehackt und im Schweinsnetz gebraten. Und frei nach Alexandre Dumas verspeiste Ludwig XV. zu Ostern ein entbeintes Lamm, gefüllt mit einer Farce aus Lammfleisch, gekochtem Eigelb, Weißbrot, Kräutern und Gewürzen. Dazu gab es ein Trüffelragout, Schinken- oder Pistaziensauce. Eben ein Gericht, das heute nur noch Könige bezahlen könnten. Ich würde es trotzdem mal gern probieren.
Languste
Es ist zwar peinlich, ich muss es aber zugeben: Viele dieser wunderbaren Krustentiere, die uns die Meere der Welt bescheren, sind mir ein kulinarisches Rätsel. Und ich krieg sie ständig alle durcheinander. Kaisergranat, Scampi, Riesenscampi, Languste und wie sie alle heißen. Ich weiß nie, wer wer ist. Einzig den Hummer, diesen Riesenbrummer, den kann ich zweifelsfrei identifizieren. Dass sie mir alle munden, das steht allerdings fest. Neben diesem großen Luxustier gibt es aber auch noch die einen, die – so wie er – viel Fleisch haben, und solche, vor denen man fast verhungert; solche, die ausgelöst serviert werden, und andere, die einem auf dem Teller zu schaffen machen oder für die man eigenes »Werkzeug« braucht. Oder zumindest esstechnische Begabung und Geduld. Die babylonische Sprachverwirrung der Länderküchen tut ein Übriges: Sind Gambas nun eine eigene Art oder nur der italienische Name für ein Krustentier, das bei uns einen eigenen Namen hat?
Allein diese Identifikationsfrage wird für Binnenlandbewohner wie mich gelegentlich zum Problem. Allerdings geht es mir deshalb noch lange nicht so wie Jean Paul Sartre, der wohl eine Krustentier-Phobie hatte: In Albträumen fühlte er sich von scherenbewaffneten Meeresbewohnern verfolgt, nachzulesen in dem wunderbaren Buch »Der Bauch der
Weitere Kostenlose Bücher