100 Dinge, die Sie einmal im Leben gegessen haben sollten
Schwarzwald. Und die Nachrichten aus den Experimentierstuben der Foodtechnologie über gelungene Klebe fleischversuchsreihen sind auch nicht gerade vertrauenerweckend. Gibt es wirklich noch Schinkensorten, die man ohne Hintergedanken essen kann? Die etwas Besonderes sind und nicht gefakt werden können?
Schinken und Wurst sind ein echtes Problem. Eigentlich nicht sie selbst, sondern ihre Auswahl. Wohlklingenden Namen traue ich ebenso wenig über den Weg wie staatlichen oder europäischen Gütesiegeln. Nach Lektüre des »Kleingedruckten« hatte ich jedenfalls das Gefühl, hier geht es nicht um die Güte von Wurst und Schinken, sondern um die Förderung lokaler Wirtschaftsinteressen. Teilweise reicht es schon, dass ein Schinken in einer Region zerteilt wurde, um sich mit deren Namen schmücken zu können. Der »Parmaschinken aus den Niederlanden« ist eines von vielen bekannt gewordenen Beispielen aktuellen Etikettenschwindels.
Tatsächlich sind Schinken und Wurst immer nur so gut, wie die Metzger und Fabrikanten, die sie erzeugen. Wer minderwertige Ware verkaufen möchte, wird von staatlicher Stelle nicht groß daran gehindert oder gar behelligt. Wer Qualität auftischt, wird von der Klientel nicht immer belohnt, zumindest nicht am Anfang. Bestimmt 95% Prozent der Esser schmecken kaum Unterschiede zwischen Spitzenschinken und Durchschnittsware. Das ist kein Wunder, denn um seinen Gaumen entsprechend einstimmen zu können, muss man das rötliche Licht über der Discountertheke verlassen und vielleicht sogar einen Umweg fahren. In Deutschland könnte der zur Metzgerei Dirr in Endingen am Kaiserstuhl führen – ein Tipp der Kollegen vom »Stern«. Metzger Markus Dirr hatte sich in besten Häusern rund um die Welt gekocht, bevor er in den elterlichen Betrieb zurückkehrte und zu experimentieren begann. Die ersten Versuche mit San-Daniele-Schinken am Kaiserstuhl gingen noch schief, jetzt aber bietet er »Fenchelschinken«, mit Fenchelsamen aromatisiert, und »Kümmel-Pfefferschinken«, aus der Unterschale geschnitten, mit Meersalz trocken gesalzen und mit Kreuzkümmel sowie gebrochenem schwarzen und weißen Pfeffer aromatisiert und vor allem: mindestens vier Monate luftgetrocknet. Von seinen vielen weiteren Spezialitäten will ich nur seine Chili-Schulter nennen: Der Mann kennt sich aus mit Gewürzen, das hat er als Koch gelernt.
Ähnlich wie Dirr gibt es weitere »Schinkenmacher«, die sich an Gutem versuchen: Schinken vom schwarzen Schwein aus Bigorre in Frankreich zum Beispiel. Oder manchen italienischen Culatello di Zibello, den wir Deutschen wohl als Schinken sehen würden: Er besteht aus dem entbeinten, oberen Teil der hinteren Schweineschenkel. Haut und Knochen werden entfernt, der Culatello mit Gewürzen eingerieben und in eine Schweinsblase gepackt. So reift er 13 Monate und länger und schmeckt danach einfach himmlisch. Das Consorzio, das über seine Herstellung wacht, bewirbt ihn als »Re dei Salumi«, als König der Wurstwaren.
Dann gibt es natürlich noch den weltberühmten spanischen Schinken, die Serranos und die Ibericos von schwarzen Schweinen, die Eicheln fressen. Auch hier sagen die Namen der Herkunftsregionen nichts, für Qualität steht allein der Name des Herstellers. Nicht jeder reputierte »Schinkenmacher« ist über die Jahre an der Spitze geblieben. Als mehr und mehr spanische Schinken von der FDA (Food and Drugs Administration) zum Verzehr in den USA zugelassen wurde, tanzten bei manchen schon die Dollarzeichen vor den Augen. Ein neuer Millionenmarkt tat sich auf – und im Lager reiften nicht genug Schinken. Da gab es nur eins, neue Schinken mussten her. Wie lange sie reiften, war auf einmal nicht mehr so wichtig. Allein zwischen den Jahren 2000 und 2007 verdoppelte sich die Schinkenproduktion auf der Iberischen Halbinsel. Neue Zuchtbetriebe erstanden – oft abseits der Eichenhaine. Und mit dem Überangebot kam der Absturz. In den Jahren 2007 bis 2009 halbierte sich der Preis für Serrano, der Preis des Ibericos fiel um ein Viertel. Preissteigerungen konnte nur das Premiumsegment der allerbesten Schinken verzeichnen.
Die luftgetrockneten Schinken wurden zudem oft mit Insektiziden eingenebelt. Das Bayerische Landesamt für Gesundheit und Lebensmittelsicherheit hat dies 2008 erneut festgestellt: Damals enthielten fünf von 23 Proben (22%) spanischen Serrano-Schinkens erhöhte Werte an diversen Insektiziden (Permethrin, Phenothrin, Tetramethrin und Fenvalerat, sowie den Synergisten
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