100 Prozent Anders
an Ihnen, ob Sie mir vertrauen und ich Ihr Mandat erhalte.“
Tausend Dinge gingen mir durch den Kopf. Was tun? Ich kannte den Mann nicht. Dr. Meyer-Wölden war eine Empfehlung von Jack White. Er hatte hochkarätige Mandanten, machte einen absolut seriösen Eindruck. Aber was hieß das alles? Geld rausholen! Ich musste ihm vertrauen! Einem Menschen, den ich vor gerade mal 35 Minuten kennengelernt hatte. Auf der anderen Seite, welche Alternative hatte ich? Ich hätte mir doch auch vorher schon Gedanken machen können. So ein Mann ließ mich doch nicht nach München kommen, um mir nach einer Tasse Tee zu sagen, dass alles in Ordnung sei, und mir zum Abschied alles Gute zu wünschen. Ich war unzufrieden mit meiner Situation und wollte doch eine Veränderung herbeiführen. Also bitte, Thomas, jetzt nicht den Schwanz einziehen, sagte ich mir. „Okay, Sie haben mein Vertrauen“, sagte ich mit fester Stimme, „bitte übernehmen Sie meine Vertragsverhandlungen.“
Ich traute meinen Augen nicht: Dr. Axel Meyer-Wölden zerriss vor meinen Augen meinen Vertrag und sagte: „Danke, Herr Anders. Sie haben ab heute keinen Vertrag mehr mit der Hansa. Sie sprechen nicht mehr mit dem Geschäftsführer und nicht mit Herrn Bohlen, Sie werden auch ohne meine Einwilligung keine weiteren Songs mehr aufnehmen. Ich melde mich in den kommenden Tagen bei Ihnen. Bitte geben Sie bei meiner Sekretärin ihre Kontaktdaten an und leisten Sie Ihre Unterschrift für die Vollmacht. Ich wünsche Ihnen einen guten Flug nach Hause.“
Schockstarre! Ich war sprachlos!
Nora und ich stammelten nur noch: „Dankeschön, Herr Dr. Meyer-Wölden“, und schon waren wir draußen.
Was war das denn? Damit hatte ich nicht gerechnet.
Da wurde nicht lange gefackelt, da wurde gehandelt. Ich konnte mir in meinen kühnsten Träumen nicht vorstellen, dass ich einen ganz entscheidenden Schritt in eine gesicherte finanzielle Zukunft getan hatte. Ich dachte nur: „Jetzt ist alles aus.“
Nach ein paar Tagen kam dann der Anruf meines neuen Anwalts. Er erzählte mir, dass die Plattenfirma ziemlich geschockt gewesen sei, dass er meine Vertretung übernommen habe, und dass man selbstverständlich bereit wäre, meinen Vertrag für mich positiv zu korrigieren. Konkret wusste ich noch nicht, was das bedeuten sollte. Aber sein Anruf gab mir ein gutes Gefühl.
Ein paar Tage später rief mich Dieter an und fragte, was denn los sei. Ich erzählte ihm von meiner Situation und wie ich an Dr. Meyer-Wölden gekommen war. Ich sagte ihm, dass Dr. Meyer-Wölden auf mich einen klasse Eindruck gemacht habe und die Prozente in meinem Vertrag nach oben verhandelt und die Vorauszahlungen deutlich angehoben würden. Das war im „Bohlenschen Gehörgang“ reinste Musik. Wenn für mich mehr Geld drin sein sollte, dann sicherlich auch für ihn. „Meinst du, der würde mich auch vertreten?“, kam gleich seine Frage. „Warum nicht“, antwortete ich, „ich kann gerne für dich anrufen und einen Termin machen.“ „Super, dann mach das mal“, gab er zurück.
Ich rief Dr. Meyer-Wölden an, erklärte ihm alles, und er gab uns einen Termin für die kommende Woche.
So saß ich nun im selben Büro wie etwa drei Wochen zuvor, nur mit dem Unterschied, dass sich Dr. Meyer-Wölden dieses Mal Dieters Vertrag genauer ansah.
Das Gespräch zog sich eine ganze Weile hin. Dieter war sehr interessiert, wollte dies und das von Herrn Meyer-Wölden wissen. Ob man noch rückwirkend Geld für ihn herausschlagen könne, ob man auch seine Tätigkeit als Produzent einbinden könne und ob man seinen Vertrag, den er mit dem Musikverlag geschlossen habe, ebenfalls noch mal kontrollieren könne. Dr. Meyer-Wölden ging auf alle seine Fragen ein und beantwortete sie ausführlich auf der Höhe seines Kenntnisstandes. Er nahm sich sehr viel Zeit für Dieters Anliegen.
Eine Szene habe ich noch sehr lebendig vor Augen: Ich darf nicht zu viel verraten, aber als Dieter sich dann sinngemäß danach erkundigte, ob denn dieses Gespräch schon Geld kosten würde, sprang Meyer-Wölden wütend auf und beendete abrupt unsere Zusammenkunft. Bohlens und Meyer-Wöldens Art waren nur schwer kompatibel. Ich habe nichts davon gehört, dass sich daraus eine erfolgreiche Geschäftsbeziehung entwickelt hätte.
In meinem Fall aber leistete Axel Meyer-Wölden ganze Arbeit. Die Hansa/BMG musste mir mehrere Millionen Mark nachzahlen, und die Vorschüsse und Prozente mussten auf das Niveau eines Millionen-Hits angepasst
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