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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Anders
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Wirklichkeit ließ man uns nachts um drei, vier Uhr vor ausverkauftem Haus auftreten, und der Vermittler steckte sich die Kohle in die eigene Tasche.
    Wir sollten also nach London fliegen, um dort mal wieder die übliche Werbung für unsere Single und unser Album zu machen. Der Diskothekenauftritt war von der Plattenfirma damit begründet worden, dass es ein interner Event für die wichtigsten Medienleute Londons sei und wir nach dem Auftritt garantiert in die englischen Top Ten einsteigen würden. Also auf nach London!
    Am ersten Abend sollten wir in einer Diskothek auftreten. An den beiden folgenden Tagen Interviews mit diversen Zeitungen sowie Zeitschriften und Radiostationen führen.
    Dieter, seine damalige Bekanntschaft, Nora und ich wurden in London im Hotel abgeholt und waren auf dem Weg zu unserem Auftritt. Unsere Garderoben lagen im Keller der Diskothek, und da uns noch etwas Zeit bis zu unserem Auftritt blieb, gingen wir nach oben. Das war kein Problem, denn uns erkannte hier sowieso niemand, und so konnten wir uns locker unters Volk mischen.
    Wir standen so herum, bis Nora mir ihren Ellbogen in die Rippen stieß: „Sag mal, Thomas, fällt dir was auf?“ „Was meinst du?“, fragte ich. „Na ja, hier sind nur Männer“, antwortete sie. Ich sah mich um. „Mmmh, stimmt, und jetzt?“, fragte ich meine Frau.
    „Hey, Dieter, ist dir aufgefallen, dass hier nur Männer sind, und davon ungefähr 1 000?“, meinte ich zu Dieter. „Echt?“, war die Antwort, „ja, was machen wir denn jetzt?“ „Wie, was machen wir jetzt? Wir fragen mal, was das soll“, erwiderte ich.
    In dem Moment erschien auf der Bühne ein älterer Herr, der jubelnd begrüßt wurde und anfing, aus einem Buch vorzulesen. Die Modern-Talking-Reisegruppe verließ die Disko und ging durchs Treppenhaus zurück zu den Garderoben. Dort angelangt, fragte ich unseren Betreuer, ob er mir die Situation erklären könne, da wir ja ein Medientreffen erwartet hatten. „Medientreffen?“ fragte er und fing an zu lachen. „Hey, Jungs, wir sind hier auf der größten Schwulenparty Londons, und momentan liest ein prominenter Schwuler aus seinen Memoiren. Danach seid ihr an der Reihe.“
    „Das glaub ich jetzt nicht“, sagte ich zu Dieter, der etwas überfordert in der Ecke stand. Ich habe ganz sicherlich nichts gegen Homosexuelle, es gibt einige in meinem Freundeskreis. Liebenswerte und tolle Menschen, aber wenn man mich als schwul verkaufen will, und dann auch noch aus reinen Profitgründen, möchte ich wenigstens vorher von den Plattenbossen gefragt werden. Punkt!
    Ich ging wutentbrannt zu unserem Betreuer und erklärte ihm, dass wir hier auf keinen Fall auftreten würden. Der gute Mann verlor innerhalb einer halben Sekunde jegliche Gesichtsfarbe. „You have to go there“, rief er und fuchtelte wild mit den Händen vor mir herum. „Ich werde einen Teufel tun“, entgegnete ich trocken. „Du gehst gleich da raus und singst deinen verschissenen Titel“, schrie er mich an. So etwas hätte er noch nie erlebt. Der extrovertierte Sänger George Michael sei ja schon wahnsinnig kompliziert, aber wir mit unserem Gehabe, das ginge ja nun gar nicht. Er wurde richtiggehend hysterisch und stand am Rande eines Nervenzusammenbruchs. Im Hintergrund hörte ich plötzlich die Stimme des Sprechers, der uns dem Publikum ankündigte: „Dear Gentlemen, we’re proud to present the two gays from Germany: Modern Talking.“
    Also, das war’s! Wir wurden hier als schwules Paar verkauft und sollten den aufgedrehten Jungs im Publikum Appetit machen.
    Der Betreuer kreischte: „GOOOO OUUUT.“ Und ich erwiderte eiskalt: „Fuck you.“ Dann verließ ich mit Nora die Diskothek.
    Ich war gebügelt. Ich fühlte mich verarscht und gelinkt.
    Mal wieder sollte die „lebende Slotmaschine“ sein Gesicht hinhalten, damit die Plattenfirma Umsatz machen konnte.
    Es kam aber noch besser.
    Nora ging in der Lobby unseres Hotels zum Zeitungsstand und verlangte nach vier oder fünf Zeitschriften, denen wir unter anderem in den kommenden Tagen Interviews geben sollten. Der Mann am Kiosk ignorierte Nora zunächst komplett. Sie fragte aber nochmals nach, da sie ja die Blätter unbedingt sehen wollte. „My Lady“, kam die Antwort, „was, bitte, wollen Sie mit solchen Zeitschriften?“ „Wie?“, fragte Nora, „was soll das heißen?“ „My Lady, diese Art von Magazinen bekommen Sie nur in einschlägigen Läden am Picadilly Circus, aber ganz sicher nicht bei mir“, sagte der

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