100 Prozent Anders
Verkäufer. „Was meinen Sie mit einschlägigen Läden?“ „Na, ja, das sind Druckerzeugnisse für Homosexuelle“, war die Antwort. Das schlug dem Fass nun wirklich den Boden aus.
Ich buchte am selben Abend noch unsere Rückflüge nach Deutschland für den nächsten Morgen. Auch Dieter flog nach Hause zurück.
Kaum waren Nora und ich gelandet, kam natürlich prompt der Anruf der Plattenfirma und die Frage, wie ich es mir erlauben könne, die England-Promotion platzen zu lassen. Meine Argumentation wurde zur Kenntnis genommen, aber durch die Blume sagte man mir, dass man für den Erfolg auch Opfer bringen müsse. Was für ein beschissenes Business die Musikbranche doch sein kann, dachte ich mir!
Modern Talking war nicht mehr schön. Wir hatten zwar nach wie vor Erfolg, aber in der Öffentlichkeit waren erste Veränderungen in der Einstellung uns gegenüber bemerkbar. Am Anfang von der jungen Generation geliebt, war unsere Musik mittlerweile Standard in den Keller-Bars der Eltern geworden und somit uncool für deren Kinder. Der Erfolg wurde auch übergroß. Ein Superlativ jagte den nächsten. Dieter ließ kein Interview aus und betete fast schon gebetsmühlenartig herunter, wie „hammermäßig“ Modern Talking sei – und natürlich er selbst! Seine Äußerungen lasen sich nur noch wie folgt: „Und hier sind wir Nummer 1, und da habe ich Platin gekriegt.“ – „C. C. Catch ist hammermäßig erfolgreich in den Charts.“ – „Wir wollen so groß werden wie ABBA.“ – „Ich schreibe jetzt den Titelsong für den Tatort.“ – „Ich bin der größte Produzent Deutschlands“ und so weiter und so fort …
Der liebe Dieter hat bis heute nicht kapiert, dass Selbstbeweihräucherung immer nach hinten losgeht. Irgendwann hat das Publikum auch mal genug von seinem Geschwätz, wie „geil“ er ist und dass der Rest der Welt gefälligst die Schnauze zu halten hat, solange es ihn, den Super-Dieter, gibt.
Dieter hatte kein Gespür dafür, wie die Stimmung gekippt war:
1985 waren wir in der jährlichen Musiksendung „Peter Illmanns Pop-Show“ aufgetreten und wurden frenetisch gefeiert. Peter Illmann fuhr mit einem Elektrowagen samt Anhänger auf die Bühne, dekoriert mit mehr als 50 Gold- und Platinplatten.
Ein Jahr später standen wir auf derselben Bühne – und wurden vom Publikum gnadenlos ausgebuht.
Dieter und ich verließen die Bühne damals wie begossene Pudel und wurden von den Mannen unserer Schallplattenfirma in Empfang genommen. „Ach, das hat man gar nicht gehört. Im Fernsehen versendet sich das Buhen“, versuchte man uns zu trösten.
Nein! Es versendet sich eben nicht, wenn 5 000 Menschen in der Dortmunder Westfalenhalle pfeifen und johlen. Unser Stern sank, und unser Erfolg hatte seinen Zenit längst überschritten. Mir fiel es wie Schuppen von den Augen!
Es gab auch immer wieder neue Reibereien zwischen Dieter und Nora. Beide wollten die Oberhand über mich gewinnen, beide wollten bestimmen, wo’s langgeht. Dieter wollte sich beruflich nicht reinreden lassen, Nora ließ das im privaten Bereich nicht zu. Und ich geriet jedes Mal wieder zwischen die Fronten.
Nora konnte wahnsinnig anstrengend sein. Vor allem ihr notorisches Zuspätkommen nervte mich und mein ganzes Umfeld tierisch. Wenn ich schon mit gepackten Koffern auf sie wartete, flötete sie aus der oberen Etage: „Bin gleich feeeeertiiiiig“ – und ich hörte, wie die Dusche anging. Es dauerte dann noch mal mindestens anderthalb Stunden, bis meine Frau reisefertig war. Aaaah!
In den Achtzigerjahren ging Modern Talking nur ein einziges Mal auf Tour. Es war die „Formel Eins“-Tournee, die durch die deutschen Großstädte führte. Ich hatte die Idee, dass wir als Bühnenbereicherung zwei Chorsängerinnen engagieren sollten. Dieter fand das klasse, bis ich ihm sagte, dass die beiden Mädels Nora und ihre damalige beste Freundin Jutta sein sollten. Er schäumte vor Wut. Die eigene Frau oder Freundin hätten auf der Bühne nichts zu suchen, erklärte mir Dieter. Er wollte mir verbieten, die beiden Frauen auf die Bühne zu holen. Mir etwas verbieten zu wollen, geht immer schlecht aus für mein Gegenüber. Ich finde immer ein Argument und setze mich durch. Auch damals war es so. Doch der Reihe nach!
Dieter gab zunächst zähneknirschend nach, da die Shows irgendwo „in der Provinz“ stattfanden. Zumindest Dieter sah das so. Für ihn gab es nur Hamburg, Hamburg, Hamburg – und dann Berlin, München und vielleicht noch Köln. Der
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