100 Prozent Anders
Wäscherei im Keller. Der Raum war mindestens 50 Quadratmeter groß und vollgestopft mit dreckiger Wäsche. Nora, die sonst total pingelig war und noch nie einen Putzlappen in der Hand gehabt hatte, kletterte auf die Wäscheberge und wühlte sich durch sämtliche Wäscheknäuel. Da unser Bett erst wenige Minuten zuvor gemacht worden war, hatte sie Glück und wurde relativ schnell fündig. Als sie mir die Story später am Telefon erzählte, zerriss es mich fast vor Lachen.
Eine ähnliche Geschichte passierte ihr dann noch einmal in Koblenz. Nora fuhr seit unserer Hochzeit immer Porsche. Regelmäßig bestellte sie sich das neueste Modell. Zwei Tage, nachdem ihr alter Wagen abgeholt worden war, klingelte es bei uns an der Haustür. Als ich öffnete, stand der Porscheverkäufer vor mir und hielt mir eine Plastiktüte entgegen. Ich wusste nicht, was das sollte, und fragte: „Bitte? Was soll ich mit der Tüte?“ Er reicht sie mir und sagt: „Ich habe nichts herausgenommen.“ Ich verstand kein Wort, nahm die Tüte und verabschiedete mich von dem Mann.
Als ich die Tüte öffnete, machte ich sie reflexartig gleich wieder zu. Dann wieder auf. Die Tüte war voller Bargeld. 28 000 Mark in Scheinen. Ich ging zu Nora und sagte: „Du, dein Porschehändler hat mir gerade eine Tüte mit 28 000 Mark in die Hand gedrückt. Hast du eine Ahnung, was das soll?“ Sie sah mich an und sagte, als wäre es das Normalste von der Welt: „Ach, die habe ich völlig vergessen. Ich hatte mich vor ein paar Monaten mal über dich geärgert. Da hob ich 30 000 Mark vom Konto ab und wollte groß einkaufen gehen. Ich habe aber nichts gefunden außer einigen Kleinigkeiten. Deshalb packte ich die restlichen 28 000 Mark in der Tüte unter den Beifahrersitz.“ Mich traf fast der Schlag. Da war Nora mal eben monatelang mit einem kleinen Vermögen im Auto durch die Gegend gefahren und hatte es nicht bemerkt!
Ein gutes halbes Jahr später gab ich weitere zehn Shows in Südafrika und ging auf Welttournee. Nora, unsere Freundin Jutta und meine Musiker waren überall mit dabei: Santiago de Chile, Kapstadt, Hongkong, Taipeh, Singapur, Kuala Lumpur, Bangkok, Budapest, Moskau, St. Petersburg, Kiew, Minsk, Prag … Was für eine verrückte Zeit.
Ende Februar 1990, kurz nach der Wende, ging ich auf große Russland-Tournee. 38 Shows in sechseinhalb Wochen. Es war ein Experiment. Hätte ich gewusst, was auf mich zukommt, ich hätte es nicht gemacht. Unsere Tour-Mannschaft bestand aus 40 Personen. Musiker, Bodyguards, Techniker, Bühnenhelfer, Köche, Organisatoren und Betreuer vom russischen Geheimdienst KGB. Nora und ich reisten mit 28 Koffern und 400 Kilo Gepäck. Wir hatten an alles gedacht. Von der Tütensuppe bis zum Toilettenpapier, vom Hundefutter bis zum Shampoo, auch ans Acrylpulver für Noras künstliche Fingernägel – und sogar an eine kleine Sonnenbank.
Was für eine logistische Leistung! Ich glaube, unsere Betreuer hielten uns für total bekloppt, aber das juckte mich nicht. Es galt schließlich, 45 Tage in Russland zu überleben. Die ersten Städte waren Moskau und St. Petersburg. Hier waren die Lebensumstände noch vollkommen in Ordnung. Nicht wie bei uns in Deutschland, aber okay. Unsere Hotels waren halbwegs sauber, und jede Show war ausverkauft. Fünf Mal in Moskau, fünf Mal in St. Petersburg, dann zog die Tournee-Karawane weiter.
Je mehr wir uns von den Millionenstädten entfernten, desto schlechter wurden die Bedingungen für uns. Die Wasserleitungen waren voller Rost; ließ man Wasser in eine Badewanne ein, war es rostrot. Auf dem Teppichboden blieb man mit den Schuhsohlen kleben. Öffnete man einen Kühlschrank, der als Minibar deklariert war, liefen einem Kakerlaken entgegen. Die Bettwäsche war voller Mottenlöcher, und überall stank es furchtbar nach Fäkalien.
Wir waren knapp drei Wochen auf Tournee und hatten erst die Hälfte hinter uns. Eine grauenhafte Vorstellung!
Nach unserer ersten Show in Kiew trafen sich die Band, Nora und ich noch auf dem Zimmer eines Musikers zu einem Drink. Wir wollten emotional runterkommen nach der Show, da half es am besten, wenn man noch ein wenig Blödsinn zusammen redete. Ich war schnell müde und verabschiedete mich ins Bett. Nora blieb bei den Jungs und wollte gleich nachkommen. Ich ging in unsere „Suite“, putzte mit Mineralwasser meine Zähne und ging zu Bett. Ich war zwar todmüde, konnte aber nicht einschlafen, weil es ständig irgendwo raschelte.
Was war das? Ich schaltete die
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