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100 Prozent Anders

100 Prozent Anders

Titel: 100 Prozent Anders Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Thomas Anders
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meinen Songs wissen. Zumindest nicht in Deutschland. Die Menschen gaben mir fortan das Gefühl, als würden sie sich für ihren früheren Musikgeschmack schämen. Schlimmer noch, sie entschuldigten sich regelrecht dafür, dass sie überhaupt eine Modern-Talking-Platte im Schrank stehen hatten.
    ***
    Noch zu Modern-Talking-Zeiten wurde ich immer wieder durch Verbalattacken seitens der Medien angegriffen. Der Höhepunkt war ein Angriff der Zeitschrift MusikExpress: Ich wurde als „höhensonnengegerbte Sangesschwuchtel“ betitelt. Was war denn das? Wie weit durfte man in Deutschland gehen, und was musste man sich als Künstler alles gefallen lassen? War ich Freiwild? Hatte ich je auch nur einen einzigen Menschen beleidigt oder verbal angegriffen? Hatte ich mich jemals gesellschaftlich danebenbenommen? Nein! Ich machte Musik und verkaufte erfolgreich Schallplatten.
    Die Aussage der Musikzeitschrift konnte ich so nicht stehenlassen. Ich frage mich heute noch, ob es besser gewesen wäre, ich hätte den Mund gehalten und wäre nicht juristisch gegen diese Beleidigung vorgegangen. Allerdings hatte ich auch meinen Stolz – und einen Spiegel zu Hause. Und das Wichtigste: Ich durfte die Achtung vor mir selbst nicht verlieren. Ich musste etwas unternehmen. Denn wie hätte wohl die nächste Schlagzeile gelautet, wenn ich mich nicht gewehrt hätte? Nach dem Motto: Über den Anders kannst du schreiben, was du willst, der hält still. Nicht mit mir. Die Journalisten hätten sich in ihrem selbstherrlichen „Schreibkosmos“ zu immer aberwitzigeren Stilblüten aufgefordert gefühlt. Und das alles auf meine Kosten.
    Der Schmerzensgeld-Prozess sorgte für riesigen Wirbel in Deutschland, und der Richterspruch zog mir den Boden unter den Füßen weg. Laut Gerichtsurteil war die Aussage des MusikExpress eine freie Meinungsäußerung – und als Künstler müsse man nun mal ein bisschen mehr einstecken können. Ich war geschockt über dieses Fehlurteil.
    Das Medienecho war gewaltig. Die Boulevardpresse feixte, und die Öffentlichkeit, zumindest ein kleiner Teil davon, fühlte sich bei jeder Gelegenheit dazu ermutigt, mich als „Sangesschwuchtel“ zu verunglimpfen. Ich legte Berufung gegen das Urteil ein, und das Verfahren ging in zweiter Instanz ans Kammergericht Berlin.
    Das Urteil fiel dieses Mal komplett anders aus. Ja, es bestehe zwar das Recht auf freie Meinungsäußerung in unserem Land, aber nicht auf Kosten einer bestimmten Person, und besonders nicht bei mir als Künstler. Der Richter merkte an, dass ich, da ich in der Öffentlichkeit stehe, vom Gesetzgeber geschützt werden müsse und nicht aus populistischen Gründen beleidigt werden dürfe. Also im Grunde genau die gegenteilige Ansicht von Richter Nummer eins. Hier spürte ich zum ersten Mal am eigenen Leib die Tragweite des Sprichwortes: Vor Gericht und auf hoher See bist du in Gottes Hand.
    Natürlich, wie sollte es auch anders sein, erregte dieses zweite Urteil in den Medien viel weniger Interesse, trotz Zuerkennung eines fünfstelligen DM-Betrages, den ich einem Tierasyl spendete. Es lassen sich eben nur negative Schlagzeilen verkaufen, keine positiven.
    Einige Zeit später traf ich den Verfasser dieser „berühmten“ Formulierung aus dem MusikExpress bei der Aufzeichnung einer TV-Show. Er kam auf mich zu, und ich fragte ihn: „Und, waren Sie wenigstens so clever und haben nach Ihrem Einfall nach einer Gehaltserhöhung gefragt?“ Er fing an zu lachen und fand meine Bemerkung ziemlich cool.
    Wir haben uns später über diese ganze Geschichte ausgesprochen, und ich bekam den Eindruck, dass er wohl einfach neidisch auf mich und meinen Erfolg war und mir eins auswischen wollte. Er hatte sich demnach selbst einmal als Sänger versucht und war gnadenlos gefloppt. Ich fand dieses Geständnis verdammt mutig, aber auch entsetzlich kleingeistig. Aber so war es nun einmal.
    All diese Geschichten mit Bohlen, mit Nora, die Gerichtsprozesse prägten in der Öffentlichkeit ein Bild von mir, das in keiner Weise meiner Persönlichkeit entsprach. Man hatte mich in eine bestimmte Schublade gesteckt und wollte mich dort partout nicht mehr rauslassen. Ich spürte förmlich, was das Publikum dachte: Bitte keine neuen Songs von dem Anders. Er soll „Cheri Cheri Lady“ singen. Mehr aber bitte nicht!
    Sicherlich trug mein Aussehen dazu bei, dass die Menschen über mich tuschelten und Scherze machten. Bei Modern Talking wirkte ich androgyn – heute würde man dazu metrosexuell sagen,

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