100 Tage Sex
Kleber und einer Menge Glitzerkram schufen wir eine Krone.
Eine Veranstaltung jagte die nächste … und die nächste und die nächste.
Sogar nach Mitternacht nahm es noch kein Ende. Durch das ganze Hotel wuselten überdrehte Kinder, die zu viel
Zuckerzeug gegessen hatten; Erwachsene johlten und planschten im Swimmingpool.
Wir hatten eigentlich vorgehabt, loszulegen, kaum dass die Uhr zwölf geschlagen hatte. Doch wo war Annie beim Jahreswechsel? Mit Joni am Pool, bei ihrer Familie. Und wo war ich? Ich versuchte oben im Zimmer eine brüllende, tretende, total übermüdete, wütende Ginger ins Bett zu bringen. Meine Ginger-Flüsterer-Magie konnte da kaum etwas ausrichten.
Später kehrte die ganze zerrupfte Gruppe in unsere Zimmer zurück. Eine rotgesichtige Annie trug Ginger, die irgendwann in meinen Armen weggetreten war, zu ihren Eltern hinüber. Als sie wieder ins Zimmer zurückkam, wollten wir beide nur noch Sex und Schlummer. Eigentlich hatten wir ja vorgehabt, den Raum für den Start unseres Marathons in eine Liebesgrotte zu verwandeln, aber davon konnte keine Rede mehr sein.
»Es ist mir egal, wenn unser Zimmer wie ein gammliger, dampfender Komposthaufen riecht und wie eine Müllhalde aussieht«, erklärte Annie. »Ich will jetzt Sex. Und weißt du was?«
»Was?«
»Ich werde ihn genießen!«
Wir köpften eine Flasche Sekt aus New Mexico - dieselbe Marke, die wir bei unserer Hochzeit getrunken hatten -, setzten uns aufs Bett und rieben uns die müden Augen. Annie trug einen schwarzen BH und einen Slip, auf dessen Hinterteil mit Glitzersteinen »100 Tage« geschrieben stand (ein Weihnachtsgeschenk meiner Eltern, die sich ganz offen für unser Abenteuer begeisterten). Ich trug weiße Boxershorts. Ich berührte Annies Arm mit den
Fingerspitzen und bewegte sie sanft auf und ab. Sie streichelte meine Brust, und bald schon pressten wir unter den Laken unsere Körper aneinander und küssten uns. Ich führte eine Hand an ihre Hüfte und umfasste mit der anderen eine Brust. Sie griff unter dem Hosenbund durch und packte mich. Ich rollte mich auf Hände und Knie, kitzelte ihren Hals mit den Lippen, knabberte und küsste mich sanft ihren Bauch hinunter und begann, Körper und Mund südwärts zu manövrieren. Nach etwa zehn Minuten betrat Annie die Orgasmuswelt. Rasch schlüpfte ich in sie und sagte »Hallo«. Fünf Minuten später kam auch ich zum Höhepunkt, und mein kleiner Freund grüßte zum Abschied. Ein Küsschen, zur Seite rollen, schlafen. Es war fast zwei Uhr morgens.
Tag eins geschafft, eine Kerbe am Bettpfosten; der erste Schritt einer langen Reise war getan, die sich (hoffentlich) durch den ganzen Winter und bis in den Frühling hinziehen würde.
Und dann war es Morgen, und alles kam mir irgendwie … vertraut vor.
Vor gut elf Jahren hatten wir in einem Museum in Santa Fe geheiratet, dort die Nacht im Hotel verbracht (in einem Zimmer, das Annies Brüder mit Sex-Gimmicks vermint hatten) und uns dann einem Speisesaal voll frühstückender Angehöriger gestellt, die - zwinker, zwinker - dachten, sie wüssten, was wir im Bett getrieben hatten. Und nun wiederholte sich die Szene: im Frühstücksraum, umgeben von zwinkernden Verwandten.
Es war mir leichtgefallen, meinen Eltern von dem Projekt zu erzählen. Sie erinnern sich, die olympische Goldmedaille.
Annie bemerkte aber völlig zu Recht, dass das Thema Sex für Söhne weniger belastet ist als für Töchter.
»Eine Tochter gesteht ihren Eltern erst in dem Moment ein, dass sie mit ihrem Mann schläft, wenn sie anruft und verkündet, dass sie schwanger ist«, erklärte Annie während der Trainingsphase, nachdem ich meinen Eltern so unbekümmert von unserem Sex-Marathon erzählt hatte. Klar, bei einem Kerl wird sexuelle Unternehmungslust als Beweis der Männlichkeit angesehen - bei Frauen allerdings nicht unbedingt als Ausdruck besonderer Weiblichkeit.
»Ich weiß nicht, wie meine Eltern reagieren«, sagte sie. »Schließlich habe ich keine Freundinnen, die ich fragen könnte: ›He, wie haben es deine Eltern aufgenommen, als du verkündet hast, hundert Tage hintereinander mit deinem Mann schlafen zu wollen?‹«
Schließlich verriet Annie unser kleines Vorhaben ihren Eltern doch, per E-Mail, kurz vor Silvester. In dieser Phase war das Projekt in unserer Ehe eine große Sache geworden, und je näher der Startschuss rückte, desto schwerer fiel es Annie, es ihren Eltern zu verheimlichen, mit denen sie mehrmals die Woche telefonierte.
»Inzwischen
Weitere Kostenlose Bücher