100 Tage Sex
wieder montieren lassen wollte. Auch dort glotzten die Leute, während wir Schlange standen. Ich fühlte mich wie ein Hippie in Sandalen, der sich in einen Westernsaloon verirrt hatte.
Wir erreichten den Schalter, wo der Angestellte mich schräg ansah. Ein Tukan?
Ich grinste. »Meine Tochter hat mich heute Morgen angemalt.«
Der Mann lächelte und kümmerte sich sofort um unser Problem. Daheim holten wir Annie ab (und ich wusch mein Gesicht), dann fuhren wir alle gemeinsam nach Norden,
ins Herz des Winters. Ziel war ein viktorianisches Bed & Breakfast in Laramie, dem Sitz der University of Wyoming.
Seit langem schon sehne ich mich danach, Wyoming zu besuchen, warum, kann ich gar nicht genau sagen. Aber wenn schon, beschlossen wir, mussten wir den Staat winters besuchen, schließlich waren die Winter dort legendär. Kaum hatten wir Colorado hinter uns gelassen, verschwanden die Siedlungen, die Zivilisation endete. Wir fuhren Richtung Westen, wo die Tundra aussah wie das Meer nach einem Sturm, nicht windgepeitscht und zerrissen, sondern gedünt, wogend, eisengrau steigend und fallend. Die archetypische Landschaft des Westens: abweisend, menschenleer und bezaubernd.
Am Bed & Breakfast kamen die Eigentümer, ein älteres Paar, uns in der Einfahrt entgegen, was aber kein Grund zum Feiern war, denn wir hatten Bier mitgebracht, obwohl ich von der Website wusste, dass Alkohol in den Zimmern verboten war. Ich beschloss, die Heckklappe des Vans nicht zu öffnen und keine Hilfe anzunehmen, bis alles verstaut war. Die Gastgeber begrüßten uns und verschwanden dann im Haupthaus, wir gingen zum Kutschenhaus, das wir gemietet hatten, einem separat stehenden Gebäude, das wie eine Garage aussah. Erdgeschoss und erster Stock bestanden jeweils nur aus einem Raum. Die Mädchen sausten sofort nach oben, zum Fernseher. Da wir daheim kein Kabelfernsehen hatten, waren Hotels das reinste Paradies für die Kinder. Kabelfernsehen! Zeichentrick-Sendungen bis zum Abwinken! Das B & B hatte auf der Website mit einem Spielzimmer geworben. Annie
ging hinüber, um mal einen Blick darauf zu werfen, und kam mit geweiteten Augen zurück.
»Das müsst ihr euch ansehen!«
Dabei wirkte sie so überwältigt, dass die Kinder ihre geliebten Cartoons vergaßen und wie kleine Entchen hinter ihren händchenhaltenden Eltern her marschierten. Hohe Zimmerdecken, alles Holz. Im Spielzimmer standen ein Pooltisch, eine Tischtennisplatte, ein Air-Hockey-Tisch und ein Kicker. Dartscheiben hingen an den Wänden, in Regalen stapelten sich jede Menge Brettspiele. Der Raum war ein Paradies für die Kinder, die von Spiel zu Spiel hopsten. Joni konnte sich gar nicht mehr halten, sie wollte alles ausprobieren.
Gerührt und zufrieden sahen wir zu, wie die Mädchen spielten; der Fernseher schien komplett vergessen. So sollten unsere Kinder groß werden! Der Nachmittag verging wie im Flug.
Am Abend aßen wir in einem Restaurant im winzigen Zentrum der Stadt Burger und Pizza und tranken teures Designerbier. Danach lümmelten wir alle auf dem großen Bett des streng viktorianisch eingerichteten Zimmers und sahen uns die Winterolympiade an - Ski- und Eisschnelllauf. Joni schlief vor der Glotze ein, Ginger leider nicht. Wir legten Alice im Wunderland in den Recorder ein und parkten Ginger davor, während wir unten duschten. Der Plan war, Nummer 42 schnell und leise in der lauten Duschkabine zu vollziehen.
Sie haben richtig gehört: Annie - ich - Dusche - Sex. Erst vor ein paar Wochen hatte ich meine Frau ja mit meiner Nasenspülung aus der Dusche geekelt. Aber was blieb uns anderes übrig? Schon kurz nach der Ankunft im B & B
hatten wir uns gefragt, wie der erotische Teil des Abends ablaufen sollte. Unser Quartier bestand aus einem ungeteilten Schlafbereich oben und dem Wohnzimmer unten, ebenfalls ohne Türen. Dort stand ein Polstersessel - eine Option, aber die Dusche schien die bessere Alternative. Wäre da nicht die Geschichte mit der Nase gewesen, hätten wir beide wohl kaum gezögert. So musste ich den Vorschlag aber ganz offiziell unterbreiten. Ich tat das, während die Kinder sich noch im Spielzimmer amüsierten.
»Unterm Strich«, beendete ich mein Plädoyer, während im Hintergrund ein Puck gegen die Seitenwand des Air-Hockey-Tischs krachte, »halte ich die Dusche für das Beste.«
Annie musterte mich ernst. Nichts verriet, was sie davon hielt.
»Du hast gute Gründe aufgeführt. Ich neige dazu, den Vorschlag zu akzeptieren. Ich denke, es versteht sich von
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