100 Tage Sex
Annie dieses Glück wieder abhanden; sie wachte traurig auf. Auch als ich morgens aus dem Haus ging, war sie diese Niedergeschlagenheit noch immer nicht losgeworden.
»Das wird schon wieder«, versuchte sie mich zu beruhigen. »Ich bin heute Morgen nur nicht in Form. Das gibt sich.«
Nachdem ich Joni an der Schule abgesetzt hatte, grübelte ich auf der Fahrt ins Büro über Annies Niedergeschlagenheit nach. Ich entschloss mich zu einem Umweg: Ich fuhr noch mal zu Hause vorbei, um Annie zu umarmen.
»DJ«, staunte sie, als ich durch die Tür kam. »Was machst du hier?«
Ich ging zu ihr und breitete die Arme aus. »Du brauchst eine Umarmung.«
Sie ließ sich an meine Brust fallen, und wir hielten uns fest, eine volle Minute lang.
»Du ahnst gar nicht, um wie viel besser ich mich jetzt fühle«, sagte Annie, als wir uns voneinander lösten. Ihre Miene hatte sich aufgehellt, ein Lächeln überzog ihr süßes Gesicht. »Als hättest du mich gerade aufgewärmt.«
Nie zuvor hatte ich einen Umweg gemacht, um Annie zu umarmen. Das würde ich in Zukunft wieder tun. Eine weitere Erkenntnis; gewonnen an Tag 44 des Marathons.
Am Vormittag unterbrach ich die Arbeit kurz und schlenderte ein paar Querstraßen weiter zu The Brown Palace, einem wunderschönen alten Hotelkasten mit großartigem Service und der Pracht vergangener Zeiten. Dort reservierte ich zur Feier unseres »Bergfestes« für den kommenden Samstag ein Zimmer. Genüsslich stellte ich mir vor, wie ich auf einem dieser feudalen Betten saß, eine Champagnerflöte in der Hand und die hinreißend attraktive Annie neben mir. Allein die Vorstellung von Sex in dieser noblen Umgebung machte mich heiß. Während um uns livrierte Angestellte und wohlhabende Gäste im Hotel herumliefen, würden wir es zweimal treiben, am
Samstagabend und am Sonntagmorgen. Ich muss zugeben, dass ich mich darauf freute, an einem Sonntagmorgen mit Annie zu schlafen - und am Abend dann frei zu haben.
Doch noch war es Montag, und das bedeutete Arbeiten bis in den Abend hinein, danach Kinderbetreuung, dann Sex.
Daheim war die Stimmung anfangs prächtig - Annie hatte den Mädchen neue Kleider gekauft - und schlug dann urplötzlich um. Joni bekam einen schlimmen Eifersuchtsanfall auf ihre Schwester. Es dauerte eine Ewigkeit, bis ich die Gemüter wieder beruhigt hatte und beide endlich schliefen.
Danach spülten Annie und ich ab, räumten das Wohnzimmer auf und stiegen nach oben, wo wir uns mit einer weiteren Runde Sex verwöhnten. An diesem Abend schien der Sex zum ersten Mal, seit wir den Marathon begonnen hatten, angenehmer Teil der abendlichen Routine, wie früher die DVDs, mit denen wir uns nach anstrengenden Tagen belohnten. Arbeit, Kinderaufzucht, Kochen, Aufräumen, Zu-Bett-Bringen, und dann eine Folge Sopranos . Und jetzt bestand unsere Belohnung eben aus Sex, der mittlerweile auch keine besondere Anstrengung mehr bedeutete.
»Wir werden verdammt gut darin«, fand Annie und strich mir sanft mit den Fingernägeln über den Arm.
Der Valentinstag fiel mitten in unseren Marathon und gewann dadurch besondere Bedeutung. Annie machte mir einen Cappuccino, dann gaben wir den Mädchen ihre Valentinstags-Geschenke - herzförmige Schokoladen, Aufkleber
und Bücher -, bevor sie losmussten. Die Kinder hopsten vor Aufregung, wegen der Geschenke und der Aussicht auf einen vor Süßigkeiten strotzenden Tag in Schule und Kindergarten. Auch ich hätte vor Vorfreude herumhopsen können: Zum Valentinstag machte Gingers Kindergarten ein wunderbares Angebot: für 35 Dollar würden die Erzieher am Abend auf ihre Schützlinge aufpassen. Dafür hatten wir die Kinder angemeldet.
Was würden wir mit dem herrlich freien Abend anfangen? Fein zum Essen ausgehen? Mal wieder ins Kino? Nein; halten Sie sich fest. Ich flüstere es Ihnen ins Ohr:
Yoga.
Ich kann verstehen, wenn Sie sich jetzt die Haare raufen. So erklärte ich es mir selbst: Seit über vierzig Tagen beschäftigten wir uns intensiver mit unseren Körpern als je zuvor. Alles hatte mit Sex begonnen, anfänglich drehte sich alles um unsere täglichen Runden im Bett. Aber das Yoga hatte sich irgendwie noch dazugesellt und uns weisgemacht, es helfe uns bei unseren täglichen Lustbarkeiten. Mittlerweile hatten unsere Körper gemerkt, dass sie jetzt das Sagen hatten. Es erging ihnen wie Vizepräsidenten, nachdem der Präsident ermordet wurde: Gerade noch hatten sie Staatsbegräbnisse besucht und vor Handelskammern Reden über unternehmerfreundliche
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