100 Tage Sex
schleichen sich an ihre Beute an. Sie schlagen von hinten zu und graben ihre monströsen Zähne in die Kehle des Opfers. In Zoos gefielen sie mir gut. Ich mochte sie - solange sie sich woanders aufhielten als ich. Während wir dahinschlenderten, suchte ich mit den Augen nervös Hügel und Berge ab. Die Kinder sammelten Steine und pflückten Blumen, später legten wir uns in die warme Sonne. Und dann verließen wir den Lebensraum des Pumas und begaben uns in eine noch beängstigendere Umgebung: in das eine »edle« Restaurant Stapletons. Annie hatte einen 50-Dollar-Gutschein, und Sie kennen ja inzwischen unsere Philosophie.
Das Restaurant verfügte über einen riesigen Spielbereich für Kinder. So konnten der kleine Caleb und der kleine Jimmy Autos gegen Wände fahren lassen oder Spiderman spielen, während die Eltern sich nach Kräften kinderfrei vergnügten. Verstehen Sie mich nicht falsch: Ich finde kinderfreundliche Restaurants prima. Noch besser gefallen mir aber Restaurants, in denen Kinder an den Tischen sitzen. Sie müssen sich ja nicht wie Engelchen benehmen. Und lassen Sie mich hinzufügen, dass meine Bedenken gegen frei herumlaufende Kinder nicht für Etablissements wie Diners oder Pubs gelten, in denen es eher salopp zugeht.
Wir besuchten Chez Spiderman zum ersten Mal. Und genau wie ich es befürchtet hatte, rannten Kinder durch den Speisesaal, ahmten laute Motorengeräusche nach, spielten mit Bällen und brüllten herum, während wir versuchten, unser Essen zu genießen. Unsere Mädchen saßen am Tisch und aßen. Irgendwann ergaben wir uns dem allgemeinen
Chaos und ermunterten die beiden, auch in die turbulente Spielecke zu gehen, aber dort ging es ihnen zu wild zu. Wir kamen uns vor, als würden wir im Hobbykeller anderer Leute zu Abend essen, in all dem Trubel fehlten nur noch eine Tischtennisplatte und eine Retro-Neonreklame für Miller-Bier. Wir zahlten (nur ein paar Dollar über unseren Gutschein hinaus), verließen dann geradezu fluchtartig das Restaurant und rauschten durch die Dunkelheit nach Hause.
Restaurants beseitigen - zumindest theoretisch - zwei Hindernisse für Sex am Abend: Kochen und Abspülen. Allerdings isst man möglicherweise mehr und schwerer, als man es daheim getan hätte. Doch wenigstens diesen Abend hörte ich auf meinen inneren Ratgeber und bestellte Krabben mit Reis und Salat. Nach dem Essen fühlte ich mich trotzdem nicht frischer, als wenn wir selbst gekocht und abgespült hätten.
Und dann folgt auf das Abendessen, egal wo es stattgefunden hat, die Bettgeh-Routine der Kinder, eine Abfolge, die mich oft in tiefe Mattigkeit sinken lässt. Bis die Kinder wirklich schlafen, vergeht normalerweise eine volle Stunde. An Wochenenden habe ich zwar mehr Energie übrig, trotzdem bin ich auch am Sonntag geschafft, wenn die lieben Kleinen endlich im Bett sind. Heute, zu Beginn der neunten Marathonwoche, war so ein Sonntag. Um neun schliefen die Kinder, Annie und ich waren geduscht - und nicht im Entferntesten geil.
Ich saß eine Zeit lang neben Annie und fragte sie dann nach ihrer Zauberpatrone. »Willst du sie heute Abend verwenden?«
»Spürst du nicht, wie sie schon vibriert?«
Allein die Vorstellung, dass Annie sich für den bevorstehenden Sex schon mal in Stimmung brachte, ließ bei mir in Hirn und Lenden etwas anspringen. Ich war müde, das ja, aber plötzlich durchaus fähig zum Beischlaf, und sogar scharf darauf. Bald waren wir beide nackt, unsere Yogageübten Körper ineinander verschlugen. Das glänzende elektrische Spielzeug lag ausgeschaltet auf dem Nachttisch.
Am folgenden Montag musste ich zum Geschworenendienst ins Gericht. Gelegentlich werden Geschworene isoliert und in Hotels untergebracht, bis ein Prozess vorbei ist. Diese Vorstellung machte mir gewaltig Angst. Denn nichts, nicht einmal meine staatsbürgerliche Pflicht, durfte sich unserem Marathon in den Weg stellen. Siebenundfünfzig Tage hatten wir schon geschafft, da durfte uns doch nicht so ein dahergelaufener Verbrecher in die Quere kommen.
»Viel Glück, Schatz!«, rief Annie, als ich am Morgen das Haus verließ.
Ich hatte die Aufforderung schon vor Wochen erhalten, und wir beide fürchteten die Folgen, die der Prozess für unser »Projekt« haben könnte. Am Tag der Geschworenenwahl machte ich mir sogar die Mühe, meine Haare vom Kopf abstehend hinzuföhnen, so dass ich wie die Karikatur eines Mannes aussah, der gerade einen Elektroschock erhalten hatte. Dazu trug ich eine unmögliche
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