100 Tage Sex
Polyesterjacke aus den 1970ern. Ich rechnete damit, dass die Anwälte beider Seiten mich als zu durchgeknallt ablehnen würden. Ich betrat den riesigen Raum, in dem Hunderte Leute abwarteten, ob sie in ein Geschworenengericht gewählt würden. Sie starrten mich an, als ich einen Platz
suchte. Ich holte mein Buch heraus, die Autobiografie der Pornoqueen Jenna Jameson, die ich natürlich rein dienstlich las. Jetzt schauten die Leute weg.
Ich sehe aus wie der letzte Spinner, dachte ich. Da kann gar nichts schiefgehen!
Schließlich wurde mein Name zusammen mit etlichen anderen ausgerufen. Wir wurden in einen Gerichtssaal gepackt und warteten auf Anwälte und Richter. Ich vertiefte mich in mein Buch und fuhr immer wieder mit den Fingern durch die Haare, um sie aufzurichten. Namen wurden verlesen, meiner war der letzte auf der Liste. Alle anderen durften gehen.
Na gut, dachte ich. Aber jetzt sind die Anwälte dran. Die müssen mich ablehnen.
Zwischendrin musste ich aufstehen und Fragen des Richters beantworten. Welchen Beruf ich ausübte, ob ich schon einmal an einem Prozess teilgenommen hätte und so weiter. Wahrheitsgemäß erzählte ich, dass ich als Journalist schon von etlichen Prozessen berichtet hätte. Ich war mir sicher, dass allein diese Tatsache ausreichen würde, dass einer der Anwälte mich ablehnte. Unglücklicherweise wurde ich trotzdem in das Gericht aufgenommen. Es ging um einen kleinen Fall, einen Einbruch. Für solchen Kleinkram werden Geschworene nie isoliert.
»Puh«, sagte Annie am Abend im Bett, nachdem ich von meinen Abenteuern bei Gericht erzählt hatte. »Ziemlich stressig, aber auch ziemlich lustig.«
»Beides«, bestätigte ich.
»Das gefällt mir an unserem Projekt mit am besten«, erklärte Annie. »Beieinander zu sitzen, zu plaudern und sich nah zu fühlen.«
»Während dieser zwei Monate haben wir mehr miteinander geredet, als ich erwartet hätte«, sagte ich. »Viel mehr als normal. Wer hätte gedacht, dass mehr Sex auch zu mehr Plaudern führt?«
»Und wir reden ja nicht nur mehr, sondern auch besser miteinander«, fand Annie.
»Ja, da hat sich gewaltig was verändert«, bestätigte ich. »Fällt uns sonst noch etwas ein?«
Wir überlegten einige Momente. »Na ja, der Sex ist besser geworden, das steht mal fest«, sagte Annie. »Er fühlt sich natürlicher an, wie ein selbstverständlicher, wichtiger Teil unseres Lebens.«
»Für mich war das eine gewaltige Veränderung«, betonte ich. »Sex war früher ein großes Ereignis, ein Festspiel. Heute ist er viel selbstverständlicher geworden.«
»Aber auf gute Art selbstverständlich. Vielleicht wird Sex jetzt, was er auch sein sollte«, meinte Annie. »Ein Fundament unseres gemeinsamen Lebens.«
»Das gefällt mir«, sagte ich. »Wir werden immer besser darin. Unglaublich, dass wir vierzehn Jahre gebraucht haben, bis wir diese, äh, sexuelle Investition machten.«
»Ich finde es toll, dass wir Stellungen ausprobieren, in denen wir es vorher nie gemacht haben«, sagte Annie. »Ich mag, wie richtig sich alles anfühlt, wenn wir miteinander schlafen. Und mir gefällt, dass ich mich jetzt begehrenswerter fühle, Tag für Tag.«
In der folgenden Gesprächspause staunte ich darüber, was wir in nur zwei Monaten erreicht hatten.
»Wir sind uns nähergekommen«, befand ich. »Nicht nur im Bett oder durch das Reden; ich fühle mich glücklicher in unserer Beziehung, mit dir.«
Annie nickte. »Wir berühren uns ganz allgemein öfter. Ich fühle mich dir näher als seit Jahren, und das will was heißen, denn wir waren uns ja auch nicht direkt fremd geworden.«
»Sex unterscheidet sich nun mal von den anderen Dingen, die man gemeinsam macht, Karten spielen etwa«, sagte ich. »Deswegen braucht man sich auch nicht wundern, wenn er etwas verändert.«
»Und ich finde die Veränderungen ganz großartig«, schloss Annie.
Wir begannen uns sanft zu küssen, schnell wurden die Küsse leidenschaftlicher, und wir knutschten ziemlich heftig. Wir vereinigten uns und wiegten uns bedächtig. Dann brachte die Hitze zwischen uns alles zum Kochen. Wir bewegten uns heftiger.
»Sollen wir an die Bettkante?«, fragte Annie.
Das hätte mir gefallen, aber ich konnte mich nicht mehr bremsen. Ich taumelte, fiel. Annie zog ihre Knie an die Brust und verschlang sich brezelartig. Und dann entließ mich der Sturm aus seinem Griff und warf mich in eine schimmernde Oase. In eine andere Welt, die nur höchste Erfüllung kannte, in ein Paradies, das von einem
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