100 Tage Sex
Notwendigkeit, Bars zu besuchen und sich im Wettkampf um die oft verwirrende Gunst der Frauen gegen andere Männer durchzusetzen. Ich war nie besonders gut in diesem Spiel gewesen, aber es hatte mir immer einen gewissen Kick gegeben. Zugegeben, ich spürte keinerlei Lust, in die Welt hastig auf Cocktailservietten gekritzelter Telefonnummern zurückzukehren. Auch romantische Abendessen, bei denen zwei Menschen sich ausführlich über all die Ereignisse und Wendungen in ihrem Leben austauschten, konnten mir gestohlen bleiben. Aber selbst die Jagd nach Sex hat auch ihre schönen Augenblicke, wie jede Jagd. Natürlich war zwischen Annie und mir der Zauber des Neuen verlorengegangen, den wir in den ersten Wochen und Monaten unserer Beziehung genossen hatten. Deswegen durften wir aber noch lange nicht vergessen, was wir über die Kunst der Verführung gelernt hatten. Genau dieses Element hatte der Marathon wieder in unsere Beziehung zurückgebracht: Zum ersten Mal seit Jahren gaben wir uns jetzt wieder bewusst Mühe, uns für den anderen schönzumachen und um ihn zu werben.
An diesem Abend zum Beispiel rieb ich mich nach dem Duschen mit einem ätherischen Öl namens »Sensuous Moment« ein, einer gemäßigten, weniger oberlippenbärtigen Variation zum Thema Moschus. Ich weiß nicht, ob ich vor dem Marathon einen Sensuous-Moment-Moment gehabt hätte. Zu Beginn unseres Experiments hatte es mich Überwindung gekostet, neue Dinge auszuprobieren, jetzt war es mir in Fleisch und Blut übergegangen.
Ich weiß nicht, ob das Öl tatsächlich etwas zu dem bedeutsamen Ereignis beitrug, das diesen Abend so ganz besonders machte (falls ja, meine Hochachtung). Wie dem auch sei, ich rieb mich mit dem Zeug ein, schlüpfte kurz danach neben Annie unter die Decke, und bald küssten wir uns, schmusten, und fünfzehn Minuten später lagen wir nebeneinander, glücklich, einen weiteren Schritt auf unserer Reise geschafft zu haben. Folgender Ablauf hatte sich bei uns eingespielt: Bett, Küsse, Vorspiel, dann der glorreiche Vollzug, alles gelegentlich durch etwas Neues wie Hüpfball, Gleitmittel, eine neue Stellung und Ähnliches abgewandelt. Die Dauer schwankte von Nacht zu Nacht, vom Fünf-Minuten-Quickie bis zu ehrgeizigeren Dreißig-Minuten-Turnübungen. Folgendes machte diesen Abend zu etwas Besonderem: Wie üblich lagen wir nach dem Sex nebeneinander und plauderten. Wir schlüpften unter die Decke und plauderten weiter, wie gewohnt. Aber dann fingen wir wieder an, uns zu küssen. Wir begannen zu schmusen. Und Minuten später trieben wir es wieder. Ein Double! Welch seltenes, wunderbares Ereignis! Klar, wir hatten es auch früher schon zweimal am Abend getan, aber nicht mehr, seit die Kinder auf der Welt waren. Seit einem guten Jahrzehnt hatten wir keinen Doppelschlag mehr gelandet, wie Sportreporter es vielleicht ausdrücken würden.
»Das war unerwartet«, flüsterte Annie hinterher. »Und toll.«
Kaum war ich am nächsten Morgen, einem Freitag, erwacht, musste ich an das ruhmvolle gestrige Double denken.
»Das war echt wild«, sagte ich noch etwas schlaftrunken. »Glaubst du, wir wiederholen das irgendwann mal?«
Annie zuckte mit den Schultern. »Das hoffe ich doch!«
Bevor ich ins Büro fuhr, hatte ich mit Vicki eine »stumme« Yogasitzung, bei der sie mir keine Anweisungen gab, sondern ich einfach ihrem Beispiel folgte. Unmittelbar danach brachte ich Joni zur Schule und fuhr zum Duschen daheim vorbei. Kurz nach dem Aufstehen hatte Annie gefragt: »Hast du nachher Lust auf ein Morgen-Leckerli?« Die Erinnerung an das gestrige Double war noch nicht verblasst, da eröffnete sich schon die Aussicht auf eine andere Art Double. Sex am Morgen und am Abend, auch eine nette Variante. Doch als ich zurückkam, war mir nicht nach Sex zumute. Ich bin nicht in Stimmung. Ich muss zur Arbeit. Später gern. Als Annie ihr Angebot wiederholte, antwortete ich: »Hm, vielleicht«.
»Überschlag dich nur nicht vor Begeisterung«, sagte Annie und rollte mit den Augen.
Annie fuhr Ginger in den Kindergarten. Ich sprang unter die Dusche und tänzelte danach zurück, stracks zur Heizung, die ich voll aufdrehte. Ich zündete Räucherstäbchen an und glitt zwischen die kühlen Laken. Wie sich herausstellte, befand ich mich doch noch im Doppel-High. Kaum war Annie zur Tür hinaus, freute ich mich schon auf die nächste Runde.
»Ich konnte die Duftstäbchen schon riechen, als ich das Haus betrat«, sagte Annie und zog sich aus. »Das habe ich als
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