1000 - Das Schwert des Salomo
als Stütze zu haben.
Schließlich stoppte Mary ihren Rundgang in der Nähe des Fensters. Sie schaute nach draußen und sagte: »Noch leben wir.«
»Ja, mit Glück.«
Mary drehte sich rasch. »Was soll das heißen?«
»Ich habe dir noch nicht alles erzählt, denn ich wäre beinahe schon tot gewesen.«
»Durch Donata?«
Träge schüttelte Sinclair den Kopf. »Nicht durch sie, denn da war sie bereits weg. Durch einen Schatten, der sich plötzlich in meiner Nähe aufhielt. Er war auf einmal da. Genau in dem Augenblick, als du geklingelt hast. Der Schatten war sehr dunkel, aber er hatte ein Gesicht. Ein altes, eingefallenes und runzeliges Gesicht. Ich weiß nicht, woher er so plötzlich gekommen ist, ich kenne keine Erklärung, aber er war da, und er ist wieder verschwunden. Vielleicht hat mir deine Rückkehr sogar das Leben gerettet, Mary.«
Sie hatte ihre Hände erhoben und wollte ihr Gesicht dahinter verbergen. In einer unnatürlichen Pose stand sie vor ihrem Mann und schaute ihm ins Gesicht. Sie konnte einfach nicht fassen, was ihr da widerfahren war, und sie spürte auch die Übelkeit, die allmählich in ihrem Innern hochstieg.
»Glaubst du mir?«
Mary hob die Schultern. »Was Donata betrifft, schon, aber mit diesem anderen Besucher kann ich nichts anfangen. Woher ist er so plötzlich gekommen?«
»Ich weiß es auch nicht, Mary, wirklich nicht. Aber ich habe ihn mir nicht eingebildet, das steht fest.«
»Das hätte ich mir auch nicht vorstellen können, wirklich nicht.«
Sie schüttelte den Kopf. »Was du mir da erzählt hast, ist alles furchtbar und, es läuft darauf hinaus, daß sich unser Schicksal wohl sehr bald erfüllen wird…«
»Der Fluch der Sinclairs«, flüsterte Horace. »Ich muß ihn hinnehmen, und du bist ebenfalls mitgefangen. Durch die Heirat bist du zu einer Sinclair geworden. Daran ändert sich nichts, und du mußt leider auch all die Nachteile tragen.«
Sie nickte. »Darüber habe ich nie nachgedacht, aber ich will mich auch nicht einfach ergeben.« Sie schaute ihren Mann an, und plötzlich stand in den Augen der Frau ein harter Wille zu lesen. »Verstehst du? Ich will mich nicht damit abfinden. Horace, wir leben, und wir leben beide gern…«
Er nickte.
»Deshalb sollten wir versuchen, dagegen anzukämpfen, und wir sollten uns wehren.«
Mit einer müden Bewegung strich der Mann über sein Gesicht.
»Ich weiß es nicht«, sagte er. »Ich weiß es wirklich nicht…«
»Okay, Horace, okay.« Mary wußte jetzt, daß sie ihren Mann aufrichten mußte. Sie war die Stärkere von beiden, aber sie hatte auch nicht das erneute Erscheinen dieser Donata erlebt. »Denken wir mal darüber nach, welche Möglichkeiten uns beiden bleiben. Nur uns beiden. Da möchte ich John ausschließen.«
»Darüber habe ich noch nicht nachgedacht. Es fehlt mir auch die Zeit, wenn ich ehrlich sein will.«
»Die wir jetzt haben.«
»Aber hast du eine Idee?«
Mary hob die Schultern. »Noch nicht. Deshalb reden wir ja dar über. Jemand will uns töten, nicht wahr?«
»So wurde es gesagt.«
»Glaubst du Donata?«
Sinclair hob die Schultern. »Ich wollte, ich könnte ihr nicht glauben, aber mein Gefühl sagt mir, daß ich ihr leider glauben muß. Sie ist nicht grundlos erschienen. Und ich weiß auch, daß sie uns nicht helfen kann oder wird. Auch John hat sie gesehen. In Chartres, in der Kathedrale, das läßt darauf schließen, daß eben unser Name im Mittelpunkt steht. Daß man ihn tilgen will. Der alte Fluch soll sich endlich erfüllen.«
Horace F. hob die Schultern. »Das alles wissen wir. Aber was haben wir getan?«
»Ich weiß es nicht. Du weißt es ebenfalls nicht. Wir müssen uns etwas einfallen lassen.«
»Weglaufen?«
»Hätte das Sinn?«
Müde schüttelte der Mann den Kopf. »Nein, das denke ich nicht, daß es etwas bringen würde. Wer immer unsere Feinde sind, sie verfügen über eine wahnsinnige Macht, und ich bin sicher, daß sie uns überall finden würden, wenn es denn sein muß.«
»Also bleiben wir hier?«
»Ja.«
»Fast hätte ich gesagt«, flüsterte Mary, »sterben wir in einer bekannten Umgebung.«
»War das echt? Oder Sarkasmus?«
»Ich weiß es selbst nicht, Horace.« Sie ging wieder zu ihrem Mann zurück, setzte sich neben ihn und legte ihre Hände auf die seinen.
»Weißt du«, sagte sie, »daß ich mich über mich selbst wundere?«
»Warum?«
Mary schaffte sogar ein Lachen. »Ich kann es selbst nicht genau erklären, aber ich wundere mich. Ich hätte eigentlich eine
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