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1.000 Euro für jeden

Titel: 1.000 Euro für jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Adrienne; Werner Goehler
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drohender Armut ein spezielles Gemeinschaftsgefühl unter den jungen Kreativen, die massenweise in die Stadt strömen. In Berlin, der Hauptstadt, der armen, der schönen, die so tief in der Schuldenfalle sitzt und reich nur an kreativen Potentialen ist, bricht sich die Bundesrepublik am radikalsten. Nirgends ist der Zerfall der bisherigen sozialen Sicherungs- und Finanzsysteme auf allen Ebenen sichtbarer als dort, nirgends die Abwesenheit von traditioneller Industrie deutlicher. Gleichzeitig gibt es wohl nirgendwo in der Bundesrepublik mehr junge, neugierige Menschen aus aller Welt, die wegen der oft diffus empfundenen Besonderheit in die Stadt drängen, offenkundig auf der Suche nach Lösungen, nach gesellschaftsrelevanter Ausweitung des eigenen Handelns.
    Das Hamburger Institut für Sozialforschung beobachtet im Auftrag des Bundesministeriums für Arbeit und Soziales seit einigen Jahren die prekäre Beschäftigung in Deutschland. Sein Ergebnis: Grenzgänger schaffen trotz hoher Aktivität, Kreativität und Mobilität nur selten den Aufstieg in erwerbsbiographische Stabilität. Es spricht, den französischen Architekten und Philosophen Paul Virilio zitierend, »von einem rasenden Stillstand«. Aus Angst vor beruflicher Deklassierung und vor sozialer Ausgrenzung bemühen sich diese Grenzgänger, um jeden Preis in einem Arbeitsmarkt Fuß zu fassen, der nur kurzfristige Jobs, aber keine perspektivisch angelegte Beschäftigung mehr kennt. Sie bleiben im Prekariat gefangen.
    Prekäre Erwerbsformen nehmen in einem ungeordneten Arbeitsmarkt mit flexibler Beschäftigung stetig zu. Kurzarbeit,Leiharbeitsverhältnisse, befristete Beschäftigung, Minijobs und Arbeit im Niedriglohnbereich führen zu einer Verwischung der Grenzen zwischen stabilen Arbeitsverhältnissen mit stetigen Karrieren in beruflicher Sicherheit einerseits und instabilen Sphären mit unsicheren Erwerbsverläufen, wechselnden Arbeitsverträgen und periodischer Arbeitslosigkeit andererseits. Das besorgniserregende Fazit des Hamburger Instituts für Sozialforschung: »Die Fragilität von Beschäftigungsverhältnissen, das rechtliche, soziale und materielle Prekariat der Erwerbsarbeit, aber auch die wachsende Hilfebedürftigkeit hat Einzug in ehedem stabile Bereiche der sozialen und beruflichen Mittelschicht gehalten.«
    Wertschätzung statt Depression
    Dass prekäre Arbeitsverhältnisse körperliche, geistige und seelische Höchstleistung bedeuten, beweist die zunehmende Zahl psychischer Erkrankungen. Arbeitsverdichtung, die Komprimierung, die Schnelligkeit am Arbeitsplatz bereiten Dauerstress. Dazu kommt der bereits erwähnte wachsende private Stress, weil die berufliche Belastung sich immer schwerer mit den Erfordernissen des familiären und sozialen Umfeldes vereinbaren lässt. Nicht zuletzt quält die Unsicherheit – und immer häufiger Existenzangst.
    Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIDO) ermittelte einen Zuwachs der Fehlzeiten aufgrund psychischer Erkrankungen im Zeitraum von 1995 bis 2009 um achtzig Prozent. Dabei dominieren Depressionen und Angsterkrankungen, Zwangsstörungen und Reaktionen auf schwere Belastungen. Das Gefühl der Hilflosigkeit und Ohnmacht ist einer der wesentlichen Auslöser von Depressionen. Als Gründe für diese Zunahme der psychischen Erkrankungen gelten die rasanten Entwicklungen der Arbeitswelt. Bisherige Belastungen wie Nacht- und Schichtarbeit sind geblieben, neue wie berufliche Mobilität oder erhöhter Termin- und Leistungsdruck sind hinzugekommen. Die angespannte Situation seit der Wirtschaftskrise lässt diese krankmachende Unsicherheit chronisch werden.
    Eine 2009 publizierte Studie des WIDO und der Universität Bielefeld zeigt, dass Arbeitsplatzunsicherheit häufig mit einem höheren Arzneimittelverbrauch, vermehrtem Alkoholkonsum, aber auch mit weniger sozialen Kontakten verbunden ist. Etwa zwei Millionen Menschen in Deutschland versuchen, den gestiegenen Anforderungen der Arbeitswelt gerecht zu werden, indem sie zu Psychopharmaka greifen.
    Mehr als siebzig Prozent der Beschäftigten gingen 2009 krank zur Arbeit oder warteten zur Genesung das Wochenende ab. Jeder Dritte setzte sich dabei sogar über den Rat des Arztes hinweg, aus Angst, den Arbeitsplatz zu verlieren.
    Die immer effektivere Ressourcennutzung (Taylorismus, Rationalisierung, Automatisierung, Produktivitätssteigerung, Dienstleistungsgesellschaft) hat intensive Auswirkungen auf den Arbeitsmarkt. Es kommt, wie es der deutsche Publizist und

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