1.000 Euro für jeden
gesellschaftliche Bedeutung der Kreativwirtschaft für die Metropole Ruhr. Diese Bedingungen machen das Ruhrgebiet zu einer der dichtesten Bildungs- und Forschungslandschaften Europas.
Dort, wo Kunst und Wissenschaft Handels- und Wissensware sind, sind sie der Wirtschaft zuzurechnen. Weit spannender und für eine kreative Weiterentwicklung von Gesellschaft unerlässlich sind Kunst und Wissenschaft dort, wo sie gesellschaftlich relevante Handlungskonzepte hervorbringen, indem sie innovative Formen der Arbeit etablieren: Gemeint ist eine Tätigkeitsform, die vielleicht einmal der Boheme zuzuordnen war, inzwischen aber zum verallgemeinerbaren Modell für zukünftige Arbeits- und Lebensformen geworden ist. Sie ist gekennzeichnet durch die Aufhebung von Arbeit und Freizeit, eine sich permanent ändernde Auftragslage, die Einbettung der Arbeit in Projekte mit anderen, dann wieder ein einsames Arbeiten von zu Hause aus. Diese Tätigkeitsmerkmale sind symptomatisch für das, was wir das Prekariat nennen. Und erwerbslose Künstlerinnen und Wissenschaftlerinnen bilden die Avantgarde der prekären Verhältnisse.
Es stellt sich die Frage, ob eine Gesellschaft wie die unsere, die über keine anderen Ressourcen als die Kreativität verfügt, es sich leisten kann, auf deren Vermögen zu verzichten. Kreative Städte basieren auf dem Reichtum der Möglichkeiten und Lebensentwürfe ihrer BewohnerInnen. Sie brauchen deren Talente und Gestaltungskraft – und deren Bewusstsein, an der umfassenden Entwicklung ihrer Stadt teilhaben zu können: hin zu einem angenehmeren Lebens- und Arbeitsort. Wie Krisen, auch und gerade die gegenwärtigen, gemeistert werden können, hängt davon ab, ob wir Anerkennungs- undBeteiligungsformen finden, die Menschen ermutigen, Alternativen zu erproben und zu gestalten.
Charles Landry, Autor von »The Art of City Making«, hat eine einfache und bestechende Unterscheidung gefordert. Eine Stadt sollte nicht danach streben, die kreativste in der Region, dem Bundesland, der Nation, in der Welt zu sein. Vielmehr müsste es der jeweiligen Stadt darum gehen, ihre Kreativität für die Welt einzusetzen. Im »für die Welt« läge die ethische Dimension der Kreativität, die Individuen, Gruppen und Außenseiter einzubeziehen verstehe.
Laboratorium für eine postindustrielle Kulturgesellschaft
Eine Kulturgesellschaft definiert sich nicht mehr in erster Linie über Lohnarbeit und die zunehmende Abwesenheit derselben. Sie erkundigt sich nach dem Vermögen eines Einzelnen, das mehr umfasst als seine Arbeitskraft und seinen Marktwert. In einer Kulturgesellschaft müsste es darum gehen, aus einer sozialen Arbeit, die Ungerechtigkeiten notdürftig ausgleicht, eine solche zu machen, die Gesellschaft gestaltet: mit Selbstverantwortung, Vertrauen, Hingabe, Eigeninitiative, Experimentieren, Ausprobieren, Verwerfen. Die Idee der Kulturgesellschaft geht von zwei Annahmen aus: davon, dass die Ressource der Gegenwart in rohstoffarmen Ländern die Kreativität ist, die zu fördern vor allem heftige Fragen an das gegenwärtige Bildungssystem aufwirft. Zweitens setzt sie auf das Vermögen der Einzelnen, darauf, dassalle Menschen durch ihr Tun Wirkung erzielen wollen, dass sie gebraucht, gemeint sein und gestalten wollen.
Die wichtigen Fragen sind: Wo liegen die Möglichkeiten des Individuums, an der allgemeinen, gesellschaftlichen und kulturellen Weiterentwicklung zu partizipieren? Wo ihre und seine kreativen Fähigkeiten, die für einen gesellschaftlichen Wandel beitragen?
Die Ruhrregion, die an Fläche und Einwohnerzahl mit Los Angeles vergleichbar ist, ist ein Großlaboratorium für die Erprobung anderer Lebens- und Arbeitsmodelle und steht damit Patin für vergleichbare Veränderungen in anderen Regionen des Landes und des Kontinents. Denn vielerorts besteht für immer mehr Menschen aller Schichten, Altersgruppen und Nationalitäten keine Perspektive einer herkömmlichen sozialen Verortung mehr, weitet sich das prekäre Leben aus. Auch die folgende Tatsache beschreibt das Modellhafte dieser Region: Die Hälfte dieser 53 Städte steht unter Haushaltsvorbehalt, sie sind also nicht mehr selbständig in ihrer Ausgaben- und Einnahmenpolitik, sondern mussten diese Autonomie an die Landesregierung abtreten, so dass sich vielen die Frage stellt, was nach dem Ende des Großen Projekts »Kulturhauptstadt Ruhr 2010« auf sie zukommen wird.
Es liegt auf der Hand, dass die gewonnenen wertvollen Erfahrungen aus dieser Experimentierphase
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