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1.000 Euro für jeden

1.000 Euro für jeden

Titel: 1.000 Euro für jeden Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Götz W. Adrienne; Werner Goehler
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in Namibia
ausbezahlt wird. Dort bezog jeder Bewohner zwei Jahre lang eine Basic Income
Grant (BIG) von 100 Namibia-Dollar. (Von diesem Dorf werden wir im nächsten
Kapitel ausführlich berichten. Anm. d. Verf.) Von Otjivero erfuhr ich durch
Adrienne Goehler bei einer kleinen Diskussionsveranstaltung in Berlin. Ich
selbst beziehe seit Juni 2010 für 12 Monate ein bedingungsloses Elterngeld. Die
Geburt meines Sohnes hat mich und meine Familie zu Testpersonen in Sachen BGE
bzw. BIG gemacht. Jeden Monat werden mir 1200 Euro auf mein Konto überwiesen,
mit denen ich machen kann, was ich will. Nachdem nun die Hälfte meiner Testzeit
verstrichen ist, habe ich ein erstes vorsichtiges Resümee über die Vorteile
eines Grundeinkommens gezogen: Nein, ich bin nicht fauler geworden – ich
arbeite nur weniger –, schließlich muss ich mich ja jetzt mit um ein Baby
kümmern. Ja, es entspannt die Situation sehr, wenn man nicht jeden Job annehmen
muss. Es entspannt auch das Gewissen, wenn man sich die Bio-Babynahrung, die
Öko-Windeln und auch noch gesunde Lebensmittel für die Erwachsenen einfach so
leisten kann, ohne viel Geld dazu zu verdienen. Das übrigens ist die einzige
Bedingung für die Auszahlung des Elterngeldes in besagter Höhe – dass ich
ansonsten kein Geld verdiene. Bei einem bedingungslosen Grundeinkommen würde
ich natürlich weiterarbeiten wollen. Und als Selbständiger will ich, dass meine
Arbeit nicht nur gewürdigt, sondern auch vernünftig bezahlt wird. Nur weil aus
einer Quelle Geld auf mein Konto sprudelt, ohne das ich etwas dafür tue,
verliere ich nicht meinen Geschäftssinn. Heißt das, dass ich nicht wirklich mit
dem Segen umgehen kann, der da auf mich herabregnet? Ein besserer Mensch bin
ich zumindest nicht geworden. Der Bezug des temporären BGE erleichtert mir zwar
eine gewisse Mildtätigkeit und Freigiebigkeit gegenüber weniger wohlhabenden
Menschen. Einen Studenten als Babysitter zu bezahlen, fällt viel leichter als
ohne BGE – natürlich entsprechend der mickrigen Tarife, die man sonst so hört,
man will ja nicht die Marktpreise in die Höhe treiben. Die Höhe der Almosen,
die ich im öffentlichen Raum verteile, ist nicht gestiegen, ich zahle auch
keine höheren Trinkgelder. Alles in allem ist das meiste beim Alten geblieben.
Was mich zu dem Gedanken geleitete, ob nicht viele wie ich eine bessere
Anleitung vertragen könnten, wie man die geschenkte Zeit und den geschenkten
Wohlstand dazu verwendet, die Welt zu verbessern. Das wäre eine gute einzige Bedingung
des bedingungslosen Grundeinkommens. Ein bisschen allerdings ist die Welt auch
bei uns eine bessere geworden, denn mein Sohn würde sich – wäre er der Sprache
bereits mächtig – schon bedanken für die Entschleunigungspauschale, die das
Elterngeld für seinen Vater bedeutet.«
    Solange
es nicht genügend Kindergartenplätze gibt und solange Frauen noch immer
durchschnittlich zwanzig Prozent weniger verdienen als Männer, werden es
weiterhin weniger Väter wie Benjamin Foerster-Baldenius, sondern die Frauen sein,
die zu Hause bleiben: 95 Prozent der Mütter unterbrechen für die
Kinderbetreuung ihre Erwerbstätigkeit und riskieren berufliche Einschränkungen.
Betriebliche Angebote, wie zum Beispiel Teilzeit während der Elternzeit,
Gleitzeit oder Arbeitszeitkonten, nehmen überwiegend Frauen in Anspruch.
    Vor den
gleichen Problemen stehen die Frauen, die pflegebedürftige Angehörige versorgen
müssen oder wollen. Im Altenbericht der Regierung von 2007 ist festgehalten,
dass Frauen genauso oft wegen eines Pflegefalls ihre Stellen aufgeben wie wegen
kleiner Kinder. Je geringer ihr Gehalt, desto eher sind sie bereit, die
Berufstätigkeit abzubrechen oder doch mindestens zu unterbrechen. Denn wer
ohnehin arm ist, entscheidet sich eher für die genauso schlecht bezahlte, aber
sinnvollere Arbeit – um wenigstens theoretisch bis zu 665 Euro im Monat
von der Pflegeversicherung zu erhalten. Dieser Höchstbetrag wird praktisch
jedoch kaum jemals ausgeschüttet – um ihn zu erhalten, bedarf es einer
bürokratischen Odyssee, die menschenunwürdig zu nennen ist.
    Mehr
als siebzig Prozent aller Pflegebedürftigen werden zu Hause betreut – zwar
in steigendem Umfang von professionellen Pflegekräften, aber oft auch von meist
weiblichen Angehörigen, die darüber selbst oft psychisch erkranken, etwa weil
alte Konflikte aus der Kindheit wieder aufbrechen. Immer öfter berichten
Wohlfahrtsverbände von Gewalt gegen Alte in den Familien. Eine

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