1.000 Euro für jeden
das Grundeinkommen gebe? Und unterstreichen jedes
Mal, dass durch die Einführung des Grundeinkommens kein einziges Politikfeld
ersetzt wird: keine Flüchtlings-, keine Friedens-, keine Klimapolitik. Aber
seine Einführung würde Politikfelder inhaltlich anders konturieren und
strukturieren. Das Beispiel des Grundeinkommensdorfes in Namibia, wie wir es im
nächsten Kapitel vorstellen werden, wirft etwa die Frage auf, wie sich die
deutsche Entwicklungspolitik verändern müsste, um zur Armutsbekämpfung durch
Grundeinkommen sinnvoll beizutragen.
Doch
kurz zurück in die 1950er Jahre: Ein gutes halbes Jahrhundert nach Einführung
der Sozialgesetze durch Bismarck stand in diesem Jahrzehnt die soziale Frage
erneut im Mittelpunkt: Nach zwei verlorenen Kriegen war der Kapitalstock der
Rentenkassen durch Inflation und Missbrauch, Geldentwertungen und
Währungsreformen ebenso vernichtet wie die privaten Ersparnisse in der
Bevölkerung. Die von zwei Weltkriegen geschwächte Generation der Alten litt
mitten im Wirtschaftswunderland unter Armut und Not. Aber es dauerte noch bis
1957, bis der deutsche Bundestag die Einführung einer dynamischen Rente
beschloss. Die gesetzliche Rentenversicherung wurde auf eine Umlagefinanzierung
umgestellt. Die durchschnittliche Lebenserwartung der Menschen lag in dieser
Zeit bei 65 bzw. 68 Jahren, und die jährlichen Zahlungen summierten sich
auf 4,7 Millionen D-Mark – was aber auch damals schon zu wenig war, denn
jedes Jahr vergrößerte sich die Zahl der Rentner um etwas über eine Million
Personen. Doch die Rentenkassen waren wieder leer, der Großteil des gesparten
Vermögens geplündert und der klägliche Rest so gut wie wertlos.
Da sich
aber die deutsche Gesellschaft insgesamt im wirtschaftlichen Hoch befand, lag
es nahe, das Prinzip der Rentenversorgung umzustellen – eben von dem
Rücklageprinzip zum Umlageprinzip.
Zum
Wirtschaftswunder wurde zusätzlich das Rentenwunder ausgerufen: Die Renten
wurden einmalig deutlich angehoben und stiegen fortan jedes Jahr proportional
zur Entwicklung der Bruttolöhne. Die Altersarmut schien gebannt, da die
gegenwärtigen Beitragseinnahmen von den Jungen an die zum gleichen Zeitpunkt
Rentenberechtigten ausgezahlt wurden, womit die Jungen Ansprüche auf die
Solidarität künftiger Generationen erwarben.
Doch
die stillschweigende Voraussetzung für diesen Vertrag zwischen den Generationen
war, dass die Bevölkerungszahl halbwegs stabil bleiben würde. Der
Wirtschaftsminister dieser Zeit, Ludwig Erhard, hielt das ganze System für
nicht zukunftsfähig. Aber Adenauer setzte sich über die Bedenken seiner
Kabinettskollegen hinweg und gewann mit der Parole »Pensionen für alle« die
Bundestagswahl 1957, mit absoluter Mehrheit.
Rente – Rien ne va
plus
Dieses
System hat sich im Laufe der letzten 50 Jahre überlebt, denn die
Grundannahmen von stetigem Wirtschaftswachstum, faktischer Vollbeschäftigung und
Kinderreichtum als Voraussetzung für den Generationenvertrag treffen allesamt
nicht mehr zu. Das permanente Wirtschaftswachstum und die Hoffnung auf
dauerhafte Vollbeschäftigung sind passé. Der Generationenvertrag scheitert an
der nicht herzustellenden Balance zwischen Jung und Alt. Der Adenauer-Satz
»Kinder kriegen die Leute immer« stimmt, aber eben immer weniger.
Die
Lebenserwartung der Deutschen ist seit den 1950er Jahren um zehn Jahre
gestiegen und lag 2003 bei 75 (Männer) bzw. 81 Jahren (Frauen). Bis 2050
rechnet man mit einem weiteren Anstieg der Lebenserwartung auf 83 (Männer) bzw.
88 Jahre (Frauen). 1960 bezogen die Beschäftigten nach dem Ausscheiden aus
dem Beruf im Durchschnitt rund zehn Jahre lang Rente, heute sind es fast
17 Jahre.
Auch
die Rückkehr von der Umlage- zur Rücklagenfinanzierung, die »Riester-Rente«,
ist für die heutige Generation der Beitragszahler kaum zu bewerkstelligen.
Schließlich müssen sie aus ihrem Einkommen nicht nur die heutige
Rentengeneration finanzieren, sondern obendrein fürs eigene Alter vorsorgen.
Hinzu kommen Kosten der Gesundheitsversorgung und Arbeitslosenversicherung und
weitere Steuern.
Der
Fehler liegt einfach im System. Den hat die Historikerin Gabriele Metzler
nüchtern analysiert: »Der Sozialstaat ist an eine historische Konstellation
gebunden, die es so nicht mehr gibt. Erstens haben sich die demographischen
Voraussetzungen geändert, seit 1972 ist die Geburtenbilanz negativ. Zweitens
war der Sozialstaat auf eine Industriegesellschaft ausgerichtet, in der
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