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1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg

Titel: 1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Werner Jakob Weiher
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zu folgen wohl eher nicht, denn sie antwortete mit schmerzverzerrtem Gesicht, dass sich ihre Achillessehne entzündet hätte.
    „Du bist aber viel schneller als ich. Geh ruhig voran.“ Der Ton, in dem sie das sagte, klang etwas forsch und genervt. Sie wollte wohl alleine sein und da ich ihr nicht auf den Zeiger gehen wollte, setzte ich meinen Weg fort.
    Einen Kilometer weiter kam ich in ein kleines Dorf, wo mich eine Werbetafel zum Nusskaffee einlud. Das konnte ich nicht ausschlagen und da ich auch eine Toilette aufsuchen musste, und nicht wieder einen wehrlosen Baum dazu nutzen wollte, saß ich wenige Minuten später mit einer köstlich duftenden Tasse und zwei Riegel Mars vor dem kleinen Café.
    Nachdem ich eine Weile in meinem Reiseführer nachgeschlagen hatte, kam die humpelnde Norwegerin heran und ging ins Café. Wieder wurde ich bei ihrem Anblick nervös.
    Ich hatte schon einige Frauen auf dem Weg kennen gelernt — wesentlich mehr als Männer. Und es waren auch sehr schöne Frauen darunter wie Monica, der ich ja auch richtig nah gekommen war, aber bei ihr hier war das irgendwie anders. Ihre äußere Erscheinung war sehr weiblich. Sie hatte eine sportliche Figur, die durch ihre enge Kleidung deutlich zu erahnen war. Aber auch ihr Auftreten, ihr Blick, ihr Gang, wenn sie nicht gerade humpelte, das alles passte auf eine besondere Art zusammen und ergab für mich ein Bild, dass nahe an der Zehn lag. Und als ich so darüber nachdachte, setzte sie sich zu mir an den Tisch.
    „Entschuldige bitte. Ich war eben sehr unfreundlich zu dir. Ich heiße Sonja“, sagte sie.
    „Oh, prima“, dachte ich hektisch, „so kann das weitergehen.“
    „Aber meine entzündete Sehne tut gerade bergab sehr weh.“
    Sie machte einen traurigen Eindruck. Sonja erzählte mir, dass sie seit zwei Wochen unterwegs, und täglich über dreißig Kilometer gewandert war.
    „Zu Hause laufe ich Marathon. Aber auf der unebenen Strecke auf dem Jakobsweg hat sich meine Sehne entzündet.“ Sonja war sich nicht sicher, ob sie ihre Reise bis Santiago überhaupt fortsetzen konnte.
    Eine kleine Gruppe von Pilgern näherte sich, aus der ein junger Mann ausscherte und auf Sonja zuging. Er sagte etwas zu ihr, was nicht sehr freundlich klang. Er schien ein Problem mit ihr zu haben.
    „Ist alles ok?“ fragte ich, denn ich wollte nun weiter, da es mir zu voll wurde. Sonja nickte lächelnd und wandte sich dem jungen Mann zu, der sich nun mit seinen Begleiterinnen an den Tisch setzte.
    Ihr Lächeln wollte nicht vor meinen Augen verschwinden, während ich weiter auf schmalen Pfaden durch kleine Wälder wanderte und merkte, wie sich meine Stimmung besserte.

    Kurz nach Mittag erreichte ich den Ort Samos. Hier steht ein sehr berühmtes und eines der ältesten Klöster der westlichen Welt. Das von Benediktinern geführte Kloster, das auch gleichzeitig Pilgerherberge war, besitzt eine mit fast viertausend Pfeifen bestückte Kirchenorgel und eine Bibliothek mit dreißigtausend Bänden.
    Außerdem wird in der hauseigenen Schnapsbrennerei traditionell ein besonderer Weinbrand hergestellt, mit einer zeitlichen Pause ab dem Jahr 1951, als den Mönchen der Tank mit reinem Alkohol um die Ohren geflogen war. Ganz besonders eindrucksvoll für die Pilger, die im Kloster übernachteten, war der frühmorgendliche Mönchsgesang.
    Das hätte ich auch sehr gerne miterlebt, aber es war zu früh am Tag und mein Ziel noch fern. Ich schritt gerade über eine Brücke vorbei am Kloster in den Ort hinein, als mir von der anderen Straßenseite Sonja herüberwinkte und damit bewirkte, dass mir mein Herz wieder in die Hose flutschte. Sie war in einer Gaststätte verschwunden und ich hinterher.
    „Wie kommst du denn jetzt hierher“, fragte ich sie etwas überrascht.
    „Die Schmerzen wurden zu stark. So habe ich mich an einen Straßenrand gestellt und bin per Anhalter bis hierher gebracht worden“, sagte sie, „ich werde im Kloster übernachten und mich morgen auskurieren.“
    Wir bestellten etwas zu essen und setzten uns an die Straße. Ich schaute sie an und überlegte stark auch hier zu bleiben, aber da war wieder dieses Gefühl. War es eine Art Liebe zum Weg? Eine besondere Beziehung, wenn man sich auf das Abenteuer Jakobsweg in einer bestimmten Weise eingelassen hatte? Diesmal war es schwer. Ich verabschiedete mich von ihr und wünschte ihr von Herzen alles Gute für ihren Weg.
    Als ich die ersten Meter die Straße hinunter gegangen war, hörte ich die Stimme aus dem Kloster

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