1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Menschen mit ihren Geschichten, die ich kennenlernen durfte.
Wehmut machte sich breit und ein paar Tränen flössen auch. Ich spürte eine tiefe Dankbarkeit dafür, wie leicht und beschützt meine Pilgerreise gewesen war.
Mittlerweile hatte ich die Flasche Rotwein halb geleert und die Zigarre geraucht. Von der Sonne war nur noch ein winziger Rand zu sehen. Als auch er verschwunden war, hörte ich über die gesamte Klippe einen verhaltenen Jubel und leisen Applaus. Dann verabschiedete ich mich von meinem Pilgerstab und schleuderte ihn im hohen Bogen ins Meer.
„Nun war ich kein Pilger mehr“, dachte ich und packte meine Sachen zusammen. Aber ich wurde eines Besseren belehrt, denn als ich die Klippen wieder zurück zum Leuchtturm hinauf stieg, grüßten mich alle Pilger, denen ich begegnete mit Handschlag.
Dieser wortlose Gruß und der damit verbundene, tiefe Respekt füreinander war einer der rührendsten Momente und machte mir bewusst, dass ich auch nach dieser Reise auf dem Jakobsweg immer ein Pilger bleiben würde.
Nachtrag
Einen Tag verbrachte ich noch in Finisterre. Das sonnige Wetter, die schönen Buchten und ein knallroter Bikini auf tiefbrauner Haut konnten mich aber nicht in Urlaubsstimmung versetzen. Also entschloss ich, meine letzten zwei Tage bis zu meinem Rückflug in Santiago de Compostela zu verbringen.
Ich suchte mir ein ruhiges, kleines Zimmer und verbrachte die meiste Zeit in und um die Kathedrale. Ich besuchte alle Messen und beobachtete draußen die ankommenden Pilger mit Wehmut.
Ich war nicht mehr auf Pilgerschaft und auch noch lange nicht wieder zu Hause. Es war eine seltsame Stimmung. Kein bekanntes Gesicht lief mir über den Weg, aber dafür hunderte von Touristen.
An meinem Abreisetag fuhr ich sehr früh morgens im Busshuttle zum Flughafen. An einer Haltestelle hörte ich mir bekannte Stimmen und dann auch die dazu gehörenden Gesichter. Es waren Peter und Heike, die auch kaum glauben konnten, dass wir uns noch einmal sehen würden. Dieses Treffen mit zwei der Freunde vom Anfang meiner Reise versöhnte mich ein wenig. Es stellte sich heraus, dass wir sogar den gleichen Flieger hatten und so war am Flughafen und während des Rückfluges genügend Zeit, die Erfahrungen auszutauschen.
Der Umgang miteinander war wieder genau so herzlich, wie am Anfang. Wir tauschten Souvenirs aus und waren alle drei der Meinung, dass unsere Gruppe die beste gewesen war.
„Wir haben auch nachher noch liebe und nette Menschen getroffen“, sagte Heike, „aber unsere Gruppe vom Anfang hatte einfach gepasst. So etwas ist selten.“
Die Rückkehr nach Hause war schwierig. Natürlich waren alle meine Freunde und die Familie froh, dass ich unbeschadet wieder zurück gekommen war und jeder wollte wissen, wie es denn gewesen sei, was ich erlebt hatte und ob ich das noch mal machen würde. Aber ich kam nicht aus einem Urlaub, wo man kurz Wetter, Hotel und Essen beschreibt und gut ist. Dazu kam, dass ich einige sehr emotionale Geschichten nicht erzählen konnte, ohne emotional darauf zu reagieren. Das geht mir bei einigen Geschichten heute noch so.
Ich konnte zuerst gar nichts sagen und wollte nur meine Ruhe. Das erste Wochenende igelte ich mich in meinem Haus ein und genoss den wiedererlangten „Luxus“ einer eigenen Küche, Bett und Dusche. Das erste Mal den Kleiderschrank zu öffnen und ein frisch gewaschenes, gebügeltes Hemd anzuziehen, kann so wunderschön sein. Ich tat alles wieder zum ersten Mal und schwor mir, nicht zu vergessen, wie angenehm mein Leben doch ist und wie gut es mir doch ging.
Natürlich war ich gespannt, wie meine Internetseite angekommen war. Als ich meine Emails abrufen wollte, konnte ich nicht glauben, wie viele sehr private Nachrichten von völlig fremden Menschen an mich gerichtet waren. Sie alle gratulierten mir zu meiner Reise und bedankten sich, dass ich sie über meine Internetseite jeden Tag live an meiner Pilgerreise auf dem Jakobsweg habe teilhaben lassen.
Viele Menschen berichteten mir, wie gerne sie auch einmal auf diesen Weg gehen würden, es aber aus den verschiedensten Gründen nie können. Einige schrieben, dass es so schade sei, dass ich nicht mehr berichtete. Ich war während der sechs Wochen ein Teil ihres Lebens geworden.
Leider kann ich diese Nachrichten nicht in meinem Gästebuch im Internet zeigen, da sie einfach zu intim und persönlich sind, aber die Zustimmung und Anteilnahme hatte mich dazu bewegt, meine DVD Aufnahmen in einen Film zu
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