1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
von Sahagún. Ich drehte mich um und ging wieder zu Sonja zurück.
„Zeig den Mönchen im Kloster deine verletzte Sehne“, sagte ich zu ihr.
„Oh, ja“, antwortete sie, „die machen dann Hokuspokus und ich bin geheilt.“ Sie hielt meine Worte für einen Scherz.
„Zeig ihnen deine Sehne. Sie werden dir helfen“, sagte ich eindringlich. Ihr Gesicht wurde ernst.
„Ja. Das tue ich. Danke!“ antwortete sie.
Von Samos aus führte der Weg an einer kleinen Straße entlang. Ich dachte darüber nach, warum ich Sonja gesagt hatte, sie solle den Mönchen von ihren Schwierigkeiten erzählen. War es eine Idee, die ich selbst gehabt hatte? Ich spürte, wie ich nicht so recht glauben wollte, dass ich Stimmen hörte und so schob ich es einfach auf eine, durch den Weg verstärkte Intuition.
Vor dem Marktplatz eines kleinen Dorfes lag ein großer Hund wie tot mitten auf der Straße. Da ich mir vorgenommen hatte, Hunde zu ignorieren, tat ich es auch und kümmerte mich über sein eventuelles Ableben nicht weiter. Dann entdeckte ich ein Wohnmobil mit deutschem Kennzeichen. Die Tür stand offen und die Besitzer hatten es sich in der Mittagshitze in ihrem rollenden Bett gemütlich gemacht.
Plötzlich hörte ich einen Hund bellen und näher kommen, drehte mich aber nicht nach ihm um. Es war der Hund von der Straße, der alles andere als tot gewesen war. Er raste mit einem irren Tempo knapp an mir vorbei und blieb bellend vor dem Wohnmobil stehen. Ich schlenderte ruhig weiter und freute mich, dass meine Taktik des Ignorierens so gut funktionierte.
Tag 30
Sarria / Portomarín
Die Suche nach einer Herberge gestern in Sarria hatte sich wieder schwer gestaltet. Man merkte, dass die magische Grenze von einhundert Kilometer vor Santiago de Compostela näher rückte. Die begehrte Compostela, die Urkunde, die man zum Nachweis seiner Pilgerschaft bekommt, erhält man, wenn nachweislich die letzten einhundert Kilometer zu Fuß, beziehungsweise die letzten zweihundert Kilometer mit dem Fahrrad zurück gelegt hat. Dazu dienen die Stempel, die in den Pilgerherbergen oder auch in Kapellen und Kirchen in den Pilgerpass mit Datum eingetragen werden.
Nun machen sich die wenigsten auf den langen Jakobsweg. Die meisten, ich nannte sie Kurzzeitpilger, wollen nur die Urkunde erhalten und starten dann auch erst in der Region, in der ich mich gerade befand.
Das hatte zur Folge, dass die Übernachtungsmöglichkeiten oft überfüllt waren, zum Frust derer, die schon lange unterwegs waren. Da ich die Bettenknappheit in den letzten Tagen mehrmals am eigenen Leib erfahren durfte, hatte ich mich entschlossen, meine Tourenplanung zu ändern.
Es gibt einen sehr guten Reiseführer, der von den meisten Pilgern genutzt wird. Es gibt ihn in allen Sprachen. Dieser Reiseführer teilt die Strecke in einzelne Etappen ein, nach denen ich mich auch sehr oft gerichtet hatte. Nur tun das eben die meisten Pilger und so sind die Herbergen in den entsprechenden Stationen fast immer voll.
Heute hatte ich mir nur eine halbe Strecke vorgenommen, um dann immer in der Mitte der vorgegebenen Stationen zu wandern. Die Stimmung während der ersten Sonnenstrahlen bei klarem Himmel und musikalischen Vögeln war für mich immer die schönste Zeit des Tages. Ich spürte dabei jedes Mal so viel Kraft und Energie und vor allem Lust mich auf den Weg zu machen. Die Orte, ob kleine Bauerndörfer oder größere Städte, waren um diese Zeit fast menschenleer und ganz still.
Der Weg führte wieder einmal durch eine herrliche Landschaft und Galicien zeigte sich von seiner schönsten Seite. Anfangs traf ich nur auf wenige Mitpilger, aber kurz vor Mittag hatte ich ständig Wanderer im Blickfeld. An einer Wegbiegung stand das schon erwähnte Wohnmobil auf einer Wiese. Die Besitzer hatten es sich auf ihren Campingmöbeln gemütlich gemacht und beobachteten die Pilger, die keine fünf Meter entfernt an ihnen vorbei gingen.
Ich schüttelte den Kopf und erinnerte mich an die Worte von Monica, die mir über die Touristen am Weg erzählt hatte. So hatte sie auf ihren Reisen beobachtet, wie Menschen am Ortsrand von Santiago aus dem Kofferraum ihres Wagens ihren Rucksack aufnahmen und zur Kathedrale „pilgerten“. Das gestalteten manche sogar so perfekt, dass sie kurz vor dem Hauptplatz anfingen, leicht zu humpeln. Die nötigen Stempel hatten sie sich vorher per Auto von einer Herberge zur anderen auf die gleiche Weise besorgt.
Langsam entwickelte ich einen Blick dafür, wer
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