1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Unterhaltung entwickelt. So wurde in Deutsch, Englisch, Spanisch, Französisch, Dänisch und Norwegisch gesprochen, gelacht und übersetzt. Auch wenn ich nur einen Bruchteil verstand, war die Körpersprache dieser Menschen schön anzusehen.
Jeder bemühte sich den anderen mit einzubeziehen und übersetzte — händewedelnd oder verbal. Sogar der Laute mir gegenüber wurde mir immer sympathischer und zum Schluss des Abends stießen wir alle auf ein gutes gesundes Leben an.
Auf dem kurzen Weg wieder hinauf zur Herberge erzählte ich der blonden Dänin von meinem miserablen Tag bis zu diesem gemeinsamen Abendessen. Sie bestätigte mir ihre Erfahrungen, dass immer, wenn es ihr auf dem Weg schlecht ergangen wäre, auch schnell etwas geschehen sei, dass sie wieder aufgemuntert hätte. Ein Lächeln von einem netten Menschen am Weg, die Stimme eines Vogels am Morgen, die ersten Sonnenstrahlen des Tages, der frische Geruch in den Wäldern oder der Anblick dieser wunderbaren Natur.
„Und wenn ich mal nichts finde, das mich aufheitert“, sagte sie, „dann bin ich in eine Kapelle oder Kirche am Weg eingekehrt. Diese habe ich nie mit schlechter Laune verlassen.“
Tag 29
Fonfría / Samos / Sarria
Der gestrige Abend hatte meine Laune wieder etwas gehoben. Die Atmosphäre in dem landestypisch gebauten Haus war auf ihre Art einzigartig gewesen, obwohl ich schon einige sehr schöne Abendessen erleben durfte. Die Menschen hatten es wieder einmal ausgemacht. Auf dem Jakobsweg scheint es mir, als würden die Schutzvorhänge, die jeder von uns trägt, leichter und schneller beiseite geschoben und die wahre Natur jedes Einzelnen kommt ohne große Zurückhaltung zum Vorschein.
Während ich den überfüllten Frühstücksraum der Herberge mit Kaffee- und Brötchenduft betrat, entdeckte ich im Gewusel von Pilgern und Rucksäcken Hinz und Kunz, die mich zu meinem Glück nicht erkannten. Ich setzte mich an ihren Nachbartisch und durfte mit anhören, dass sie erst in der Nacht hier angekommen waren. Sie hatten sich in einer Herberge einquartiert, in der ihnen des Nachts irgendetwas von der Decke ins Bett rieselte. Die Duschen waren voller Schimmel gewesen und ihnen war zu Ohren gekommen, dass man einige Pilger beklaut hätte. Ich grinste innerlich und machte mich nach einem kurzen Frühstück hinaus in die aufgehende Sonne. Zum Glück war es schon etwas hell, denn sonst hätte ich den Kuhfladenslalom nicht gewinnen können.
Der Weg führte durch zahlreiche kleine galizische Bauerndörfer und fast konnte man sich Vorkommen, wie in einem riesigen Freiluftzoo. Kuhherden wurden den Weg entlang auf ihre Weiden geführt und als Pilger musste man da hindurch. Ängstliche Weggenossen standen da schon mal zwanzig Minuten am Wegrand, bis die gemächlichen Tiere an ihnen vorbei waren. Der Pilgerstab diente mir beim Durchschreiten der Herden als Respektutensil. Einmal ganz leicht angetippt und die massigen Milchproduzenten schoben sich zur Seite. Das hatte ich ihren Besitzern abgeschaut.
Um die nächste Ecke lief man durch eine Hühnerschar hindurch, dann begegneten einem Pferde, Katzen und natürlich die überall anwesenden Hunde. Über sie hatte ich in den Büchern viel gelesen. So sollte es immer wieder Schwierigkeiten mit aggressiven Hunden geben. Es wurde sogar von einem kleinen verlassenen Ort berichtet, wo ein ganzes Rudel von verwilderten Hunden die Pilger verängstigte. Auch dafür hatte ich meinen Pilgerstab auserkoren, mir in einer solchen Situation behilflich zu sein.
Sabine hatte mir erzählt, dass sie sich vor Hunden fürchte und richtig Angst habe, ihnen zu begegnen. Ich hatte ihr den Rat gegeben, ihnen nie lange in die Augen zu sehen, da sie sich dadurch herausgefordert fühlten. Sie hatte mir berichtet, dass ihr fast jeder Hund, den sie sah, ein paar Meter folgen würde. Und manche hätten sie auch angebellt. Ein ganz kleiner, weißer pudelähnlicher Mischling, sagte sie, wäre ihr sogar einmal bis ins nächste Dorf gefolgt. Das merkten wahrscheinlich die kleinsten und ängstlichsten Hunde vom Weg.
„Hey, da hat ja jemand noch mehr Angst als ich — die verfolg’ ich.“ Ich hatte mir das bildlich vorgestellt und mich köstlich darüber amüsiert.
Vor mir entdeckte ich in einiger Entfernung einen Pilger auf einem abschüssigen Streckenteil im Wald. Es war die Norwegerin. Sofort wurde ich nervös. Ich holte sie schnell ein und grüßte.
„Hallo. Ist bei dir alles ok?“ wollte ich wissen. Ihrem Gesichtsausdruck
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