1000 Kilometer auf dem 1000-jährigen Weg
Motivation mitteilte, wünschten sich die meisten, so etwas auch mal tun zu können.
„Wenn du jetzt so viel Zeit hast, „ sagte er, „dann musst du dir unbedingt ein Buch kaufen. Ich hab es auch gelesen und es passt super gut zu deiner Situation.“
In der Tat hatte ich mir vorgenommen, bei Sonnenschein in meinem Garten zu sitzen und das ein oder andere Buch zu lesen. Aber die Vehemenz, die mein Ex-Kollege an den Tag legte, ich solle mir das Buch aber unbedingt kaufen, wunderte mich schon.
Nach dem Telefonat ging ich sofort rauf in mein Büro und bestellte das Buch im Internet. Normalerweise bestelle ich bei eBay, aber diesmal, und überhaupt zum ersten Mal bestellte ich nun bei Amazon. Und wunderte mich nicht schlecht, als es schon am nächsten Tag in meinem Briefkasten lag.
„Hm“, dachte ich bei mir, „ da will wohl jemand unbedingt, dass ich keine Zeit verliere.“
„Zufällig“ war das dann auch einer dieser Tage mit milden, angenehmen Temperaturen und Sonnenschein. Perfekt, um es sich mit einem guten Buch im Garten bequem zu machen. „Ich bin dann mal weg — Meine Reise auf dem Jakobsweg“ war der Titel des Buches von Hape Kerkeling. Gehört hatte ich schon davon.
Vor einigen Wochen hatte ich von Paulo Coelho „Auf dem Jakobsweg“ gelesen. Ein sehr interessantes Buch mit vielen mystischen Übungen und Ritualen. Aber hierbei wäre ich nie auf die Idee gekommen, mich selbst auf den Weg zu machen. Das gilt noch weniger für Shirley Mac Lanes „Der Jakobsweg“, eines der weniger Bücher, dass ich nicht zu Ende gelesen habe. Für meinen Geschmack ziemlich schwere, recht esoterisch gelastete Kost. Mein Interesse galt zu der Zeit eher dem Jakobsweg an sich. Die Kultur, die Natur und die Gegebenheiten einer solchen Pilgerreise. Hape Kerkelings Buch war genau das. Geschrieben wie er selbst ist, offen, ehrlich, witzig, aber nicht ohne Tiefgang. Als ich dann bei strahlender Frühnachmittagssonne die ersten fünfzig Seiten gelesen hatte und mir die zweite Tasse Kaffee holen ging, sagte ich bei mir:
„So ein Mist. Jetzt musst du da wandern gehen.“
Jörg hatte seinen Rucksack wieder geschlossen und schaute aus dem Fenster. Ich fühlte mich eigentlich noch gar nicht hier.
„Weißt du denn schon, wie du nach Somport kommst?“ fragte er mich.
„Nein. Das ist die erste Herausforderung meiner Reise. Ich will unbedingt heute noch dort sein. Denn ich will morgen früh meinen Jakobsweg beginnen.“
Er lächelte in sich hinein. Ich hatte zweimal „ich will“ gesagt. Meine Äußerung musste auf ihn, der sich scheinbar mental schon sehr gut auf den Weg eingestellt hatte, merkwürdig klingen. Zudem war es nicht einfach vom Flughafen Pamplona zum etwa einhundertfünfzig Kilometer entfernten Pyrenäen — Pass Somport zu kommen. Eine Bahnverbindung gab es nicht und ein Bus nach Jaca, der nächst größeren Stadt, fuhr nur zweimal am Tag. Und es war schon nach achtzehn Uhr.
„Ich werde mir heute erst mal in Ruhe die Stadt ansehen. Und morgen fahre ich dann mit dem Bus nach Jaca“, sagte er und schaute auf die belebten Straßen von Pamplona.
„Toll“, dachte ich „sich auf eine Pilgerreise machen und dann eine Großstadt besichtigen“. Hier sah es genauso aus wie in Köln oder Düsseldorf. Ich wollte raus hier. Ich wollte auf den Weg, meinen Zeitplan einhalten. Gemeinsam gingen wir zum Busbahnhof und Jörg erkundigte sich nach dem Fahrplan.
„Tja. Heute geht kein Bus mehr“, sagte er scheinbar unberührt. „Und morgen geht der erste nach Jaca erst um elf Uhr.“
„Der erste Bus von Jaca rauf zum Somport Pass geht morgens um neun Uhr“, wusste ich aus dem Internet, „wenn wir morgen um elf Uhr von hier losfahren, sind wir am frühen Nachmittag in Jaca und erst am späteren Nachmittag in Somport.“
Jörg schaute mich an als wollte er sagen „Ja und?“
„Einen ganzen Tag verlieren und den dann auch noch hier in einer Großstadt zu verbringen, habe ich keine Lust. Ich will auf den Weg.“
Da war es schon wieder „ich will“. Aber diesmal verwandelte sich sein Lächeln in eine ernst gemeinte Frage.
„Da gebe ich dir Recht. Aber was willst du daran ändern?“
„Taxi!“
„Taxi?“ sagte Jörg entgeistert, „das sind über einhundert Kilometer bis nach Jana. Weißt du was das kostet?“
„Nein“ war meine Antwort, „aber das kann man ja erfragen“. In diesem Moment hielt ein Taxi direkt vor uns. Eine ältere Dame und der Taxifahrer stiegen aus. Mit meinem bescheidenen
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